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Sport: Arbeitsurlaub am Schlossplatz

Thorsten Schön und Marvin Polten kamen als Nachrücker zur Beachvolleyball-WM und überraschen alle

Von Karsten Doneck, dpa

Berlin - Thorsten Schön hatte sich bei seinem Arbeitgeber, einem Bankhaus, freigenommen. Er wollte Anfang der Woche unbedingt nach Berlin, „einfach so, auf gut Glück“, wie sein Partner Marvin Polte sagt. Es sollte nur ein Kurztripp sein: zwei, maximal drei Tage vielleicht. Doch der Aufenthalt verlängerte sich. Schön und Polte sind Beachvolleyballer, sie sind als Nachrücker ins Feld der 48 Männer-Teams für die Weltmeisterschaft auf dem Berliner Schlossplatz gerückt. Und wenn sie nun schon einmal dabei sind, probieren sie erfolgreich, den Favoriten das Leben schwer zu machen. Ihre bisherige Bilanz: drei Spiele, drei Siege. Nach dem Überraschungserfolg zum Auftakt gegen Dain Blanton, Olympiasieger in Sydney, und seinen Partner Kevin Wong aus den USA verlangte Thorsten Schön erst einmal nach einem Telefon. „Ich muss meinen Chef anrufen“, sagte er. Er musste um Urlaubsverlängerung bitten.

Inzwischen steht fest, dass Polte/Schön bereits mindestens als Neunte nach Hause fahren. Aber selbst bei einer Niederlage gegen das russische Team Barsouk/Arkajew gestern Abend (Spiel bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht beendet), bräuchten die beiden keinen Gedanken an die Abreise aus Berlin zu verschwenden. Dann bekämen sie heute die Chance, über die Verliererrunde doch noch im Wettbewerb zu bleiben. Sich derart lange im Turnier zu halten, ist beachtlich für ein Duo, das auf der Teilnehmerliste nur an vierter Stelle unter den Nachrückern auftauchte. Polte/Schön muss grenzenloser Optimismus getrieben haben, dass sie trotz ihres ungünstigen Listenplatzes am Dienstag, einen Tag bevor die Männer erstmals bei der WM aufschlugen, in Berlin aufkreuzten. Nicht einmal ein Hotel hatten sie gebucht, sie wollten notfalls gleich zurück nach Schüttorf. Abends, kurz vor 22 Uhr, erhielt das Duo aus Freising und Schüttorf die Nachricht, dass es in Berlin starten darf. Zwei qualifizierte Teams waren nicht zur Auslosung erschienen, zwei Nachrücker-Teams blieben ebenfalls fern. Polte und Schön wussten gar nicht, wie ihnen geschah. „Am liebsten hätte ich mir darauf gleich ein Bier genehmigt“, sagte Polte. „Das ging ja nicht, weil wir schon am nächsten Morgen spielen mussten.“ Die Art und Weise, wie sie zum Auftakt gegen Blanton/Wong auftrumpften, machte sie sofort zu Publikumslieblingen. Ihre emotionale Spielweise, ihre Körpersprache, ihre Leidenschaft, mit der sie jeden gewonnen Punkt feierten – das kam an auf den dicht besetzten Rängen am Schlossplatz. Auch die Australier Schacht/Slack (19:21, 21:15, 15:12) und die Schweizer Egger/Laciga (7:21, 21:19, 15:13) bezwangen sie unter dem Jubel des Publikums in drei Sätzen.

Seit einem Jahr tingeln die beiden gemeinsam als Beachvolleyballer durch die Welt. Schön ist 33, Polte 29 Jahre alt. Ihre Karriere neigt sich dem Ende zu. Reich geworden sind sie auf der World Tour noch nicht. Die großen Summen sackten stets die anderen ein. 2004 brachten es Polte/Schön am Volleyballnetz auf Einnahmen von 3000 US-Dollar: 1000 Dollar haben sie aus Rio de Janeiro mitgebracht, 2000 nahmen sie vom Grand Slam in Berlin mit. Summen, die sie mit ihrem jetzigen Abschneiden in den Schatten stellen. Als WM-Neunte sind ihnen schon 13 500 US-Dollar sicher. „Wir haben ja nicht den Druck, den alle anderen Teams haben“, sagt Marvin Polte zu den Erfolgen. „Andererseits bringen wir natürlich auch nicht die internationale Erfahrung mit. Da ist man bei einem Turnier dieser Größenordnung deutlich nervöser.“

Sollte sich das deutsche Duo tatsächlich bis ins Finale vorkämpfen, könnte Marvin Polte jedoch ein Problem bekommen. Eines der angenehmen Sorte allerdings. „Freunde haben ihm Eintrittskarten für das Finale geschenkt, vier Stück“, sagt sein Partner Schön. Polte findet auch in diesem Fall eine Lösung. „Dann müssen wir die Karten wohl bei Ebay versteigern“, sagt er lächelnd. Und Thorsten Schön wird seinen Chef vielleicht noch einmal vertrösten müssen.

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