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Sport: Armstrong überholt alle

Der Amerikaner dominiert auch das Bergzeitfahren nach L’Alpe d’Huez – Jan Ullrich wird Zweiter

Aerodynamik, sagen die Experten, spielt im Radsport erst ab einer Geschwindigkeit von 30 Stundenkilometern eine Rolle. Für die 15 Kilometer von Bourg d’Oisans nach L’Alpe d’Huez brauchte der Etappensieger Lance Armstrong 39 Minuten und 41 Sekunden, Jan Ullrich, der Zweite des großen Spektakels am heiligsten Ort der Tour, eine Minute und eine Sekunde länger. Das bedeutete, dass Armstrong eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 23,4 km/h fuhr, also deutlich unter der Grenze, ab der es sich bezahlt macht, auf der Rennmaschine besonders windschlüpfrig zu sein.

Trotzdem entschloss sich Jan Ullrich, auf seine Zeitfahrmaschine einen Liegelenker zu montieren, um die Haltung einzunehmen, die er von den schnellen Zeitfahren im Flachen gewöhnt ist, bei denen er mit 50 km/h über das Land fährt. Offenbar wollte Ullrich sich selbst davon überzeugen, dass die Berge überstanden sind, die ihm in diesem Jahr so viel Schwierigkeiten bereitet hatten. Der kleine Zauber schien zu wirken. Ullrich fuhr so stark, wie man es von ihm in seiner Spezialdisziplin Zeitfahren gewöhnt ist. Alle, die ihn in den Pyrenäen abgehängt hatten, von Ivan Basso bis zu Francisco Mancebo, Georg Totschnig und Andreas Klöden, lagen wieder hinter Ullrich.

Nur einer war wieder einmal schneller: Lance Armstrong. Der hatte anders als Ullrich gute Erinnerungen an die Bergetappen der vergangenen Tage und trat deshalb mit einem Rad an, dessen Konzept eindeutig auf das Klettern ausgerichtet war. Armstrongs Maschine aus Kohlefaser war vor allen Dingen leicht – ein wenig zu leicht sogar. 20 Gramm fehlten Armstrongs Arbeitsgerät zum zulässigen Minimalgewicht – der Champion musste sich beschweren, bevor er von der Rampe in Bourg d’Oisans rollen durfte.

Doch das Zusatzgewicht hinderte ihn nicht an einer überlegenen Siegesfahrt, die seinen ersten Platz in der Gesamtwertung der Tour festigte. Zwei Minuten und 23 Sekunden nahm er seinem härtesten Widersacher Ivan Basso ab, der nur zwei Minuten vor ihm auf die Strecke gegangen war. Kurz bevor Armstrong Basso überholte, hatte ihm ein Zuschauer zugerufen, dass er gleich zu dem Italiener auffahren würde. „Ich wollte das gar nicht glauben“, sagte Armstrong. Als sich dann das Meer von Zuschauern vor ihm vor dem Ziel auftat und er Basso sah, habe ihn das „unglaublich motiviert“.

Basso kam bloß als Achter in L’Alpe d’Huez an – eine Enttäuschung nach seiner starken Leistung in den Pyrenäen. Trotzdem verteidigte er seinen zweiten Platz vor Andreas Klöden, dem Dritten von L’Alpe d’Huez. Klöden liegt nun nur noch eine Minute und 15 Sekunden hinter Basso und kann sich sogar noch Hoffnung auf den zweiten Platz in Paris machen, und auch für Jan Ullrich gibt es nun noch eine vage Chance, in den nächsten zwei Tagen an Basso vorbeizuziehen. Den Kampf gegen Armstrong hat man hingegen beim Team T-Mobile aufgegeben: „Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass jemand sechsmal die Tour gewinnen kann“, sagte Ullrich. „Aber Lance wird es wohl schaffen.“

Ullrich hat seine Siegambitionen aufgegeben, nicht jedoch das Rennen. Er wolle in den letzten Tagen der Tour noch eine zentrale Rolle spielen, hatte er vor L’Alpe d’Huez bekannt gegeben, und das ist ihm schon beim Bergzeitfahren gelungen: „Ich denke, ich habe bewiesen, dass ich noch Rad fahren kann“, sagte er deshalb zufrieden.

Weniger zufrieden war hingegen Jens Voigt, der von den deutschen Zuschauern offenbar übel beschimpft wurde. Als „Judas“ hatte man ihn bezeichnet, sagte er erbost, weil er sich am Vortag im Dienst seiner Mannschaft CSC daran beteiligt hatte, Jan Ullrich einzuholen. Voigt führte das Verhalten seiner Landsleute auf „eine unkundige und chauvinistisch gefärbte Berichterstattung im deutschen Fernsehen“ zurück. Zum Glück blieb es der einzige Zwischenfall im Spalier der geschätzt insgesamt 500 000 Fans am heiligen Berg der Tour. Zur Erleichterung der Fahrer. „Ich hatte ganz schön Angst“, gestand Lance Armstrong, der durch einen Zwischenfall mit einem Zuschauer im vergangenen Jahr beinahe die Tour verloren hätte. In diesem Jahr kann ihn wohl auch nur noch ein solcher Zwischenfall daran hindern, erneut im Gelben Trikot über die Champs-Élysees zu fahren.

Heute im Fernsehen:

Die 17. Etappe, Bourg d’Oisans – Le Grand Bornand, live.

SENDEBEGINN 10.03 Uhr (ARD)

10.30 Uhr (Eurosport)

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