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Sport: Aufs Feld geworfen

Die Berlin Sluggers spielen Baseball – eine amerikanische Sportart, die hier zwar viele kennen, aber selten verstehen

Für ein paar Stunden ist Amerika nach Neukölln gekommen. Etwa 60 Zuschauer sitzen an diesem Samstag auf der Steintribüne des Paul-Rusch-Sportplatzes. Sie haben Sandwiches, Fast-Food-Tüten und Kühlboxen mit Bier dabei. Über den Rasen, auf dem sich junge Männer in grauen Uniformen aufwärmen, schallen Kommandos in englischer Sprache. Es ist 13 Uhr, die Sonne scheint, und in wenigen Minuten spielen die Berlin Sluggers gegen die Holzwickede Joboxers. Es ist der erste Spieltag der neuen Zweitliga-Saison im Baseball.

Wolfgang Schrapel steht im Blaumann hinter dem Holzkohlegrill und wendet Bratwürste. Der 54-Jährige ist Vorsitzender der Sluggers, dem einzigen Verein aus Berlin, der in diesem Jahr in der Zweiten Bundesliga spielt. Spielen darf. Denn eigentlich hatte sich der Lokalrivale Berlin Roosters, mit dem man sich die Anlage am Kölner Damm teilt, sportlich für die Liga qualifiziert. Doch die Roosters konnten nur die Verbandsliga finanzieren, die Sluggers rückten nach. „Zum Glück haben wir einen Sponsor gefunden. Zusammen mit den Mitgliedsbeiträgen können wir uns das Abenteuer Zweite Liga gerade so leisten“, sagt Schrapel. Um die Kosten für Auswärtsfahrten zu reduzieren, werden deshalb in allen Ligen oft so genannte „Double-Header“ ausgetragen. Zwei Spiele gegen einen Gegner am gleichen Tag.

Etwa 38 000 Menschen in Deutschland spielen Baseball, die Sportart liegt in der Beliebtheitsskala hinter Faustball und nur knapp vor Synchronschwimmen. „Jeder potenzielle Sponsor fragt zuerst nach den Fernsehzeiten. Aber das Medieninteresse geht gegen Null“, sagt Wolfgang Schlaper. Die Regeln sind für einen Laien nicht leicht zu durchschauen: Das Spiel wird in Abschnitten („Innings“) gespielt, in denen jedes Team einmal das Angriffsrecht hat. In jedem Inning versucht der Werfer („Pitcher“), den Ball in eine bestimmte Zone („Strike-Zone“) zu werfen, ohne dass der Schläger („Batter“) den Ball trifft. Ziel der Offensivmannschaft ist es, Punkte („Runs“) zu erzielen. Ein Punkt ist erzielt, wenn der Batter das Spielfeld, bestehend aus drei „Bases“, umrundet hat.

14:30 Uhr. Die Berliner haben das erste Spiel 11:1 gewonnen. Die Spieler klatschen sich ab, die Zuschauer jubeln. Auch Wolfgang Demant applaudiert. Der untersetzte Mann mit der roten Baseball-Jacke und dem Basecap fliegt alle zwei Jahre in die USA, mit Vorliebe nach Louisville in Kentucky. Dort hat er vor über 20 Jahren sein erstes Spiel gesehen. „Damals dachte ich, die Amerikaner sind alle bescheuert", sagt Demant und lacht. „Aber je länger man sich mit dem Spiel beschäftigt, desto faszinierender wird es.“

Wenn Wolfgang Demant über den Bekanntheitsgrad seines Sports in Deutschland spricht, erzählt er gern diese Geschichte: „Als die Spieler der Jugend-Nationalmannschaft vor einigen Monaten bei der sportärztlichen Untersuchung waren, gab jeder Spieler als Sport „Baseball“ an. Als die Befunde fertig waren, stand jedoch auf allen Zetteln Basketball“. Solche Verwechslungen kennt auch Sluggers-Chef Wolfgang Schrapel: „Neulich hatten wir wieder eine Anfrage von Eltern, ob ihr Kind bei uns Basketball spielen könnte.“ Der Nachwuchs ist rar, wegen des geringen Interesses kann Schrapel keine Schülermannschaft anmelden.

Fünf Stunden später ist es kühl geworden auf dem Paul-Rusch-Sportplatz. Holzwickede hat das zweite Spiel 19:18 gewonnen. Thomas Hübener sieht sich bestätigt. „Das ist eben Baseball. Es ist nicht vorhersehbar, wie lange ein Spiel dauert“, sagt der 29-Jährige, der mit einem Bier auf der Tribüne steht. Und Wolfgang Demant hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass Baseball eines Tages auch in Deutschland populär wird. Schließlich sei der beste Spieler aller Zeiten ja auch kein Amerikaner gewesen. „Was nämlich keiner weiß, der Babe Ruth hatte deutsche Eltern“, sagt er und lächelt wieder. Vielleicht kommt ja Neukölln eines Tages sogar nach Amerika.

Christian Gödecke

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