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Sport: Aus einer anderen Welt

Manu Ginobili ist der neue Superstar der Basketballliga NBA – und der erste, der nicht aus den USA kommt

Wenn Dirk Nowitzki auch nur ein klein wenig eitel ist, dann gefällt es ihm gar nicht, was er derzeit in den amerikanischen Medien so zu sehen bekommt. Die Basketball-Profiliga NBA wirbt im Fernsehen für das Finale der San Antonio Spurs gegen die Detroit Pistons mit einem Spot, indem Manu Ginobili und Tony Parker über die kulturellen Unterschiede ihrer Herkunftsländer Argentinien und Frankreich flachsen. Zwei der wichtigsten Sportmagazine der USA, „ESPN Magazine“ und „Sports Illustrated“, titeln mit großen Geschichten über Manu Ginobili. Und auch alle anderen Medien überschlagen sich mit Lob für den neuen Star. Wenn er mal, wie im vierten Spiel der Finalserie, nur zwölf Punkte macht, ist das für den Gegner schon der halbe Sieg. 2:2 steht es zwischen Detroit und San Antonio vor dem heutigen fünften Finalspiel (2.55 Uhr, live auf Premiere), und wenn die Spurs zum zweiten Mal den Titel holen sollten, haben sie das vor allem ihrem argentinischen Star zu verdanken.

Manu Ginobili nimmt den Platz ein, der einst für Nowitzki gedacht war. 2002 war Nowitzki einer der ersten Spieler, die nicht durch das amerikanische High-School- und College-System gegangen war und es in das All-Star-Aufgebot der NBA schafften. Nowitzki war auf einem guten Weg dazu, der erste ausländische Superstar der NBA zu werden. Doch daraus wurde bisher nichts, Nowitzkis phasenweise brillantes Spiel ist zu inkonstant, und seine Mavericks kommen über die Vorrunden der Play-offs nicht hinaus. Bei Manu Ginobili läuft es anders: Der argentinische Weltmeister und Olympiasieger hat schon vor zwei Jahren mit den Spurs die Meisterschaft gewonnen. Und mehr noch – der Flügelspieler ist neben dem zuletzt sehr schwach spielenden Tim Duncan der wichtigste Mann im Team.

In San Antonio, das eine große Spanisch sprechende Bevölkerung hat, werden Kinder mit Vornamen Manu getauft, die Trikots mit Ginobilis Namen sind die neue Uniform für die Jugend der Stadt. Sein persönlicher Stil, die halblangen Zottelhaare, der Verzicht auf Piercings und Tattoos und die legere Kleidung lösen unter den jungen NBA-Fans die Outfits mit den protzigen Goldketten der Rapper ab.

Die Versuche, Ginobilis üerraschende Aktionen im Spiel in Worte zu fassen, reichen von „unorthodox“ bis „unmöglich zu stoppen“. Die Art und Weise, wie der 1,95 Meter kleine Ginobili sich ungeachtet körperlich überlegener Verteidigungsblöcke artistisch zum Korb durchwuselt, seine raumgreifenden Schritte und unglaublichen Sprünge bringen Gegner, Trainer und Kollegen ins Schwärmen, die Vergleiche mit Michael Jordan werden immer häufiger gezogen. Der Pressesprecher der Detroit Pistons gab hinter vorgehaltener Hand zu, dass Ginobili sein neuer Lieblingsspieler sei. Und Teamkollege Brent Barry gesteht, dass er Ginobili manchmal wie ein Fan dabei zusieht, wenn der nach dem Mannschaftstraining seine Manöver einübt.

Ginobilis Durchbruch kommt zu einem günstigen Zeitpunkt. Zwar sinken die Einschaltquoten, die Zuschauerquote ging in den Finalspielen erneut zurück, diesmal um 32 Prozent. Aber was nicht unwichtig für die auf Expansion bedachte Liga ist: Der weltweite Vertrieb der NBA erreicht derzeit einen absoluten Höhepunkt – mehr als 100 Millionen Menschen schauen weltweit Ginobili dabei zu, wie er zum Korb fliegt und in immer neuen Variationen den Ball durch die drei Dimensionen wirbelt. „Er dürfte der erste Ausländer der NBA werden, der ganz groß vermarktet wird“, schreibt die „New York Times“ – und denkt dabei an Ausmaße wie bei Shaquille O’Neal. Bei all dem ist Ginobili auch noch sympathisch und beinahe provokant bescheiden. „Ich muss nicht 20 Punkte in einem Spiel machen, um mich gut zu fühlen“, sagt er und meint damit, dass für ihn nur das Mannschaftsergebnis zählt und nicht seine Einzelstatistik.

Nach seinem Olympiasieg mit Argentinien im vergangenen Jahr fuhr der Millionär in Athen mit einem Linienbus an den Strand – für seine status- und konsumorientierten amerikanischen Kollegen undenkbar. Ginobili ist nicht nur der erste nicht-amerikanische Superstar der NBA, er ist auch ein sehr unamerikanischer Star. Und so erweitert Manu Ginobili nicht nur das Basketball-Vokabular um ein paar neue Begriffe, die sein Spiel zu beschreiben suchen. Er verändert auch das grundsätzliche amerikanische Verständnis davon, was es bedeuten kann, ein Star zu sein.

Sebastian Moll[New York]

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