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Ein Stadion voller Steine: Die Anhänger von Hertha BSC haben gegen den FC Augsburg kollektiv an Gewicht verloren.

© dpa

Auslaufen mit Lüdecke: Herzen, die von Steinen fallen

Auch nach dem wichtigen Sieg gegen den FC Augsburg weigert sich unser Kolumnist Frank Lüdecke, seinen Lieblingsverein Hertha BSC zu loben, denn er will nicht wieder enttäuscht werden - wie seit Jahrzehnten.

Sollten Sie hin und wieder diese Glosse lesen, dann werden Sie vielleicht bemerkt haben, dass ich meine Sympathien sehr ungerecht verteile. Ich gebe das unumwunden zu. Es ist wirklich so. Manche Vereine liegen mir weniger, einer aus Bayern zum Beispiel, ein anderer dagegen unverhältnismäßig mehr. Dieser Klub hat am Samstag im Berliner Olympiastadion endlich mal wieder ein Spiel gewonnen. Praktisch in letzter Sekunde. Um es mit den Worten des Stürmers Ben-Hatira zu sagen: Auch mir ist „ein Herz vom Stein gefallen“. Und was für eins! Ein Riesenherz!

Jetzt würde ich gerne meine Freude darüber mit Ihnen teilen, liebe Leser, aber ich kann nicht. Theoretisch könnte ich schon. Aber ein Lob werden Sie von mir nicht hören. Weder für die ausgezeichnete Zweikampfführung, auch nicht für die enorme Laufbereitschaft oder die verblüffende Effektivität. Ich werde mich auch hüten zuzugeben, dass endlich mal wieder so etwas wie eine Struktur im Spiel zu erkennen war. Dass Anflüge von Dynamik auszumachen waren und eine positive Körpersprache. Konzentrierte Abwehrarbeit und bisweilen sogar überlegtes Konterspiel. Mach ich nicht. Ich lobe hier gar nichts. Ich denke überhaupt nicht daran. Ich kenne diesen Klub. Seit Jahrzehnten. Heute loben wir ihn und nächsten Freitag ist nichts mehr zu sehen von Zweikampfführung und Laufbereitschaft und sie verlieren gegen den Tabellenletzten Stuttgart. So war es immer. Und wir sitzen da mit enttäuschten Hoffnungen und unsere Herzen können nicht vom Stein fallen.

Dabei denke ich, es könnte doch auch anders laufen. Wie bei Dortmund zum Beispiel. Waren die nicht eben noch Tabellenletzter? Jetzt haben sie viermal gewonnen und reden schon wieder von der Champions League. Da bin ich bescheidener. Mir würden drei Siege reichen und als Gesprächsthema das Mittelfeld.

In der gegenwärtig angespannten Situation hätte ich möglicherweise einen wertvollen Tipp für unseren jungen ungarischen Übungsleiter. Wie wär’s? Wir könnten von den analytischen Fähigkeiten des Schalker Trainers Di Matteo profitieren. Nach der blamablen Niederlage im emotionsgeladenen Revierderby gegen Dortmund stellte er sein gesamtes Spielsystem infrage und resümierte schonungslos. In einem einzigen Satz gelang es dem Schalke-Trainer, das Rätsel des Fußballs zu entschlüsseln. Der Satz lautet: „Ohne Ball ist es schwer, nach vorne zu spielen.“

In der Tat, das ist es! Ich habe schon viele Fußballspiele gesehen und die Schlussfolgerung des Schalker Trainers deckt sich exakt mit meinen Beobachtungen: Man braucht diesen verdammten Ball, sonst geht es nicht. Wenn man ihn hat, den Ball, kann man Tore schießen. Wenn man Tore schießt, gewinnt man und wenn man gewinnt, steigt man nicht ab. Und dann plumpsen die Herzen nur so aus den Steinen.

Der Berliner Kabarettist Frank Lüdecke schreibt hier jeden Montag über die Fußball-Bundesliga. Diese Woche tritt er Donnerstag und Freitag (20 Uhr) und Sonnabend (16 Uhr) in den Wühlmäusen auf.

Frank Lüdecke

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