zum Hauptinhalt
kohlschreiber

© dpa

Australian Open: Der neue Kohlschreiber

In Melbourne hat er schon mal einen Sprung gemacht – der nächste soll ein Sieg gegen Andy Roddick sein.

Im Leben eines Tennisprofis gibt es magische Momente. Diese besonderen Augenblicke, in denen er spürt, wie sich während eines einzigen Spiels etwas Entscheidendes für seine künftigen Jahre als Sportler verändert. Der Punkt, an dem ihm bewusst wird, dass weit mehr möglich ist, als er bisher zeigen konnte. Für Philipp Kohlschreiber kam dieser Moment vor einem Jahr in seinem Zweitrundenmatch bei den Australian Open. Er spielte in der Rod Laver Arena vor 15 000 Zuschauern, und sein Gegner hieß Rafael Nadal. Dass der Spanier neben Roger Federer zu den am schwersten zu bezwingenden Spielern der Welt zählt, kümmerte den Augsburger schon vor der Partie wenig, als er etwas großspurig ankündigte, er wolle den Spanier „ein bisschen laufen lassen“. Doch Kohlschreiber ließ wirklich Taten folgen. Er bot dem Weltranglistenzweiten ein Duell auf Augenhöhe, nahm ihm einen Satz ab, und es war nur seiner hohen Fehlerquote auf der Vorhandseite geschuldet, dass ihm an diesem Tag nicht der Sieg gegen Nadal gelang.

„Das war der erste Schritt zu einem neuen Kohlschreiber“, sagte er jetzt, ein Jahr später, in Melbourne, und wie stark diese „verbesserte Fassung“ geworden ist, ist zu Beginn der Australian Open kaum zu übersehen. Nach einer souveränen Leistung in der ersten Runde zeigte Kohlschreiber auch in der Partie gegen Jewgeni Korolew schon allein durch seine Körpersprache, dass er nicht gewillt war zu verlieren. Dass der Russe beim Stand von 4:6, 2:6 und 1:0 mit einer Oberschenkelverletzung aufgeben musste, schmälerte die überzeugende Leistung Kohlschreibers dabei keineswegs. „Das ist positiv für mich, so habe ich Kräfte gespart“, sagte der 24-Jährige im Hinblick auf seine nächste Partie am Freitag. Dann könnte es wieder einen magischen Moment für ihn geben, wenn er es in der dritten Runde mit dem Amerikaner Andy Roddick zu tun bekommt: „Wenn ich weiter nach vorne kommen will, dann muss ich jetzt auch mal einen wie Roddick schlagen“, erklärte Kohlschreiber, der inzwischen an Position 27 der Rangliste geführt wird, seiner bisher höchsten Platzierung.

Der Sieg soll für ihn der nächste Schritt sein zu dem Level, auf dem die Topspieler sich bewegen. „Ich bin auf einem guten Weg, aber ich will noch viel weiter kommen“, kündigte Kohlschreiber an. 2007 hatte er sein erfolgreichstes Jahr auf der Tennis-Tour erlebt, konnte bei den BMW Open in München seinen ersten Turniersieg verbuchen und erholte sich auch von der darauffolgenden Schwächephase während des Sommers, in der ihm der Erfolg ein wenig zu Kopf gestiegen war.

In der vergangenen Woche bestätigte Kohlschreiber dann mit seinen Sieg in Auckland, dass er bereit für diesen nächsten Schritt ist: „Ich bin gut drauf, und ich brauche mich nicht zu verstecken. Ich werde Roddick von Anfang an Paroli bieten.“ Die Erfahrung gegen Nadal sei auch deshalb so wichtig, betonte er, weil es ihm keine Angst mehr mache, auf dem Centre Court vor der beeindruckenden Kulisse zu spielen. „So kann ich sofort Gas geben und verschenke nicht die ersten Spiele, weil ich nervös bin“, sagte Kohlschreiber.

Vor drei Jahren stand er Roddick schon einmal in Melbourne gegenüber. Damals war es das Achtelfinale, und der heutige Weltranglistensechste gewann in drei Sätzen. „Wir haben noch eine Rechnung offen. Es wird dieses Mal schwerer für Andy“, kündigte Kohlschreiber an. Das glaubt auch Michael Berrer, der sich dem Amerikaner trotz einer kämpferisch guten Leistung mit 2:6, 2:6 und 4:6 in der zweiten Runde geschlagen geben musste: „Für mich war das noch ungewohnt, aber Philipp spielt ja schon länger auf diesem Niveau. Ich denke, er kann Roddick in vier Sätzen schlagen.“ Überrascht sei Berrer gewesen, dass Roddick so wenig für das Spiel getan habe: „Mit einer soliden Leistung hätte man ihn bezwingen können. Aber dafür hat mir leider die Präzision gefehlt, und ich wollte wohl zu viel. Ich habe zu viele Fehler gemacht, aber das wird Philipp sicher nicht passieren.“

Schon vor dem Auftakt der Australian Open hatte Kohlschreiber seine Ziele selbstbewusst formuliert. Er fühle sich wohl in der Rolle des neuen deutschen Führungsspielers und würde nur allzu gerne in Melbourne den Erfolg von Tommy Haas vom Vorjahr mit der Halbfinalteilnahme wiederholen. Die spielerischen Fähigkeiten dazu scheint Kohlschreiber inzwischen zu besitzen, doch das Match gegen Roddick wird zunächst zeigen, ob die Zeit für den nächsten magischen Moment schon reif ist.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false