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Kann Kristina Vogel ihre drei Goldmedaillen bei der Bahnrad-WM verteidigen?

© dpa

Bahnrad-Olympiasiegerin Kristina Vogel: Ein Unfall und die Folgen

Bei einer Trainingsfahrt wurde Kristina Vogel von einem Zivilfahrzeug der Thüringer Polizei erfasst - und musste gegen den Freistaat Thüringen für ihr Schmerzensgeld prozessieren. Bei der Bahnrad-WM in Paris kann sie sich endlich wieder auf Sport konzentrieren.

Von Johannes Nedo

Immerhin, das Schloss von Versailles konnte sich Kristina Vogel anschauen. Mit ihren Teamkollegen spazierte sie durch die pittoresken Barockgärten, vorbei an den Springbrunnen und pedantisch beschnittenen Bäumchen. Doch das war es auch schon mit dem Touristenprogramm. Mehr Pariser Sehenswürdigkeiten wird Kristina Vogel bis Sonntag nicht sehen. „Da muss man auch viel zu lange anstehen“, sagt sie. „Und dann könnte ich mich in der Menschenmenge vielleicht noch anstecken.“

Die 24-Jährige ist eigentlich gar nicht zimperlich. Doch in den nächsten Tagen darf ihr nichts dazwischenkommen. Von Mittwoch bis Sonntag werden in Saint-Quentin En-Yvelines, etwa 30 Kilometer vom Zentrum der französischen Hauptstadt entfernt, die Bahnrad-Weltmeisterschaften ausgetragen. Und Kristina Vogel hat dabei einiges zu verteidigen, beachtliche drei WM-Titel: im Teamsprint, Sprint und Keirin. Am Mittwoch startet der Teamsprint, in dieser Disziplin hat sie mit ihrer Partnerin Miriam Welte bei den Olympischen Spielen 2012 in London auch die Goldmedaille gewonnen. „Natürlich möchte ich in Frankreich wieder gewinnen“, sagt Kristina Vogel. „Ich bin ja mittlerweile in eine gewisse Klasse gefahren.“

Im vergangenen Jahr gelangen ihr außergewöhnliche Erfolge: Zusätzlich zu den drei Titeln bei der WM im kolumbianischen Cali holte sie im Oktober Keirin-Gold bei der EM im französischen Übersee-Departement Guadeloupe, und im Dezember stellte sie bei einem Weltcup in Mexiko zwei neue Weltrekorde auf. 2014 war für Kristina Vogel aber auch ein erleichterndes Jahr. Denn für sie ist zudem ein langer, quälender Rechtsstreit mit dem Freistaat Thüringen zu einem guten Ende gekommen. Seit 2009 belastete Vogel diese Geschichte. Bei einer Trainingsfahrt auf der Straße wurde sie von einem Zivilfahrzeug der Thüringer Polizei erfasst und erlitt schwere Verletzungen. Vogel, selbst bei der Bundespolizei angestellt, brach sich einen Brustwirbel sowie Handwurzelknochen und verlor Zähne. Außerdem zerschnitt die Autoscheibe ihr Gesicht, dessen eine Hälfte zum Teil taub blieb.

All das warf sie zunächst nicht aus der Bahn. Die 1,60 Meter kleine Erfurterin mit den kräftigen Oberschenkeln steckt voller Energie. Nach zahlreichen Operationen startete sie bereits sieben Monate später wieder bei der WM. Was Vogel aber wirklich traf, war wie der Freistaat Thüringen nach dem Unfall mit ihr umging. Der wollte ihr lediglich ein Schmerzensgeld von 25 000 Euro zahlen und brachte zudem die Frage auf, ob Kristina Vogel nicht eine Teilschuld trage. „Als ich das gehört habe, dachte ich: jetzt reicht’s!“, sagt sie. „Das hat mich menschlich sehr enttäuscht.“

Obwohl sie sich mit den Details des Unfalls gar nicht mehr so genau befassen wollte, prozessierte sie gegen den Freistaat Thüringen und forderte 80 000 Euro Schmerzensgeld. Das Landgericht Erfurt entschied zugunsten von Kristina Vogel – der Freistaat muss ihr wegen der schweren erlittenen Verletzungen nun sogar 100 000 Euro Schmerzensgeld zahlen. „Endlich habe ich Recht bekommen und kann damit abschließen“, sagt sie. Wie hart Thüringen in diesem Fall vorging, das ansonsten keine Gelegenheit auslässt, sich mit ihr als Olympiasiegerin zu rühmen, hat Kristina Vogel sehr verletzt. Und was sie noch immer beschäftigt: „Keiner von den Verantwortlichen ist danach auf mich zugekommen.“ Jetzt muss sich Kristina Vogel aber endlich nicht mehr damit auseinandersetzen. Sie kann sich vollends auf ihre sportlichen Aufgaben fokussieren.

Das könnte entscheidend sein, denn in Paris steht sie vor schweren Rennen. Bundestrainer Detlef Uibel dämpft daher schon mal die Erwartungen: „Kristina hat die größte Bürde mit drei WM-Titeln. Keiner verlangt von ihr, dass sie das wiederholt.“ Höchstens sie selbst. „Ich“, sagt sie, „will es mir schon beweisen.“

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