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Svetislav Pesic, 62, ist zum zweiten Mal Basketball-Bundestrainer. 1993 führte er Deutschland zum EM-Titel, mit Alba Berlin gewann der Serbe vier Meisterschaften und den Korac-Cup.

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Basketball-Bundestrainer Svetislav Pesic: "Wenn ich in Berlin bin, brauche ich keinen Urlaub"

Svetislav Pesic spricht über seine Rückkehr als Bundestrainer, seine Ziele mit den deutschen Basketballern und mit Dirk Nowitzki. Und über den Druck auf Alba Berlin, einen Titel holen zu müssen.

Herr Pesic, im Februar wurden Sie als Basketball-Bundestrainer vorgestellt, seit ein paar Tagen bereiten Sie die Nationalmannschaft in Kienbaum auf die EM-Qualifikation vor. Wie ist Ihr erster Eindruck?

Wir sind am Anfang, wir bauen eine neue Nationalmannschaft. Wir haben nur drei erfahrene Spieler: Jan Jagla und Heiko Schaffartzik spielen schon länger für die Nationalmannschaft, Yassin Idbihi ist erfahren, hat aber noch nicht viele Länderspiele gemacht. Alle anderen sind junge Spieler, die erst jetzt zu Leistungsträgern werden und eine Hauptrolle bekommen sollen. Spieler wie Tibor Pleiß oder Robin Benzing müssen jetzt Verantwortung übernehmen. Nicht nur für ihr eigenes Spiel, sondern auch für die Mannschaft.

Sie waren lange weg aus Deutschland, bis Mitte Juni haben Sie Roter Stern Belgrad in der serbischen Liga betreut. Wie vertraut sind Ihnen Ihre Nationalspieler?

Die meisten Spieler kenne ich, einige habe ich auch schon im Training gehabt. Andere habe ich bislang nur spielen sehen. Um einen Spieler aber richtig kennenzulernen, musst du ihm einen Ball in die Hand geben und ihn selbst trainieren.

Waren Sie jetzt in Kienbaum eher positiv überrascht? Oder negativ?

Ich weiß, dass ich kein schlechter Trainer bin. Dass ich ein guter Trainer bin. Aber es ist noch zu früh, um irgendwelche Schlüsse zu ziehen. Ich will das Trainingslager nutzen, um uns besser kennenzulernen – auf dem Spielfeld und daneben. Ich muss die Persönlichkeiten der Spieler kennenlernen. Wenn du Nationalspieler sein willst, reicht es nicht, gut zu werfen oder gut zu verteidigen. Du musst eine Persönlichkeit besitzen, eine Sieger-Mentalität.

Bis zum Beginn der EM-Qualifikation am 18. August ist nur noch wenig Zeit. Was wollen Sie bis dahin erreichen?

Ich habe versucht, den Spielern zu vermitteln, dass wir unsere physische Verfassung unbedingt verbessern müssen. Wenn wir in gut in Form sind, können wir mangelnde Qualität oder mangelnde Erfahrung kompensieren.

Fangen Sie taktisch bei null an? Oder bauen Sie auf den Ideen Ihres Vorgängers Dirk Bauermann auf?

Ich habe mich in München mit Dirk Bauermann getroffen, zu Abend gegessen, Kaffee getrunken und sehr detailliert über seine Arbeit gesprochen. Das war ein sehr, sehr gutes Gespräch, um mich detailliert vorzubereiten.

Aber die Mannschaft wird schon Ihre Handschrift tragen.

Ich würde gerne viele Dinge probieren, in Offense und Defense. Aber ich will die Mannschaft nicht verwirren und die Dinge nicht verkomplizieren, die Zeit ist zu knapp. Wir wollen einfachen Basketball spielen. Wir werden so spielen, wie alle meine Teams spielen: sehr aggressiv in der Verteidigung. Mit schnellem Umschalten, wann immer es möglich ist. Mit großem Einsatz beim Offensivrebound.

Haben Sie schon mit Dirk Nowitzki darüber gesprochen, ob er seine Karriere im Nationalteam fortsetzt?

Nein. Dirk ist noch nicht in Deutschland. Wenn er kommt, werde ich auf jeden Fall mit ihm sprechen. Für mich ist er weiter Teil der deutschen Nationalmannschaft. Ich bin überzeugt: Wenn Dirk sieht, dass die Mannschaft, die wir jetzt bauen, Qualität hat und etwas gewinnen kann, wird er Interesse haben, wieder dabei zu sein. Zum Beispiel bei der EM.

Was ist Ihr Ziel in diesem Sommer?

Wir müssen uns für die EM qualifizieren. Wenn wir das nicht schaffen, sind wir mindestens zwei Jahre weg von der europäischen Bildfläche – das darf nicht passieren. Mittelfristig wollen wir uns für die WM 2014 qualifizieren. Da treten erstmals 24 Mannschaften an, Spanien wird ein tolles Turnier organisieren, das wird die beste WM aller Zeiten. Für den Kern der aktuellen Mannschaft muss es das Ziel sein, diese WM zu spielen.

In der EM-Qualifikation treffen Sie auf Bulgarien, Aserbaidschan, Schweden und Luxemburg. Angesichts dieser wenig Furcht einflößenden Gruppe ist die Qualifikation Pflicht.

Pflicht ist immer. Auch gegen Spanien, Serbien oder Frankreich hätten wir die Pflicht, uns zu qualifizieren. Die Gegner sind nicht attraktiv – aber Russland, Litauen, Frankreich, Spanien spielen alle bei Olympia, welche attraktiven Gegner könnten wir denn haben? Italien oder Serbien vielleicht, aber das war’s. Unsere Gruppe ist trotzdem sehr gefährlich.

Vor welchem Gegner haben Sie den größten Respekt?

Ich mag die Qualifikation nicht, denn in einer Qualifikation ist immer alles möglich. Aserbaidschan hat drei Amerikaner eingebürgert, von denen allerdings nur einer spielen darf. Alle sagen, das wird der von Real Madrid sein, dieser … (überlegt und ruft quer durch den Raum zu seinem Assistenztrainer Emir „Mucki“ Mutapcic). Mucki? Wie heißt der von Madrid, dieser Scorer? Der mit dem aserbaidschanischen Pass?

MUTAPCIC: Carroll. Jaycee Carroll.

Richtig, Carroll. Auch Bulgarien hat drei Amerikaner, unter anderem Jared Homan von Bayern München. Und zwei Spielmacher. Man weiß nicht, welcher von denen spielen wird. Und Schweden … Mucki? Wie heißt der schwedische NBA-Spieler? Position Power Forward?

MUTAPCIC: Jerebko. Je-reb-ko.

Jerebko. Schweden hat in den letzten zehn Jahren seinen Basketball entwickelt. Die schlafen nicht. Sie sehen: Die Gruppe ist auf dem Papier nicht schwer, aber gefährlich. Und wir sind unerfahren. Unsere Talente müssen jetzt zum ersten Mal die Verantwortung für den entscheidenden Wurf übernehmen. Nowitzki ist nicht mehr da, Kaman ist nicht mehr da, Hamann ist nicht mehr da. Einfach nicht da.

Pesic über seine Wahlheimat Berlin und die Entwicklung von Alba

Auf dem Sprung aus dem Schatten. Die jungen deutschen Nationalspieler, hier Lucca Staiger, müssen in diesem Sommer viel Verantwortung übernehmen.
Auf dem Sprung aus dem Schatten. Die jungen deutschen Nationalspieler, hier Lucca Staiger, müssen in diesem Sommer viel Verantwortung übernehmen.

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Von 1987 bis 1993 waren Sie schon einmal Bundestrainer, ehe Sie Alba Berlin übernahmen. Sind Sie glücklich, nach so langer Zeit jetzt wieder Nationalcoach zu sein?

Ehrlich gesagt: Ich war nie weg. Nicht aus Deutschland und nicht vom deutschen Basketball. Ich wohne in Berlin, ich liebe Berlin. Ich habe aber immer gesagt: Für mich kommen nur zwei Nationalmannschaften infrage – die deutsche und die serbische. Ich hatte Angebote von Polen, von der Türkei, von Slowenien. Aber auch als Trainer brauchst du die richtige Motivation. Jetzt bin ich wieder deutscher Bundestrainer und fühle mich super. Befreit.

Hat auch Ihre Wahlheimat Berlin damit zu tun?

In Berlin zu leben, ist wie ein Paradies. Vielleicht nicht für Sie, aber für mich.

Wir können auch nicht klagen.

Sehen Sie mal: Wenn man in Rom, Barcelona oder Belgrad lebt, ist das ein ganz anderer Lebensstil. Viel Hektik. Ich liebe Barcelona, Belgrad sowieso. Aber wenn ich in Berlin bin, brauche ich keinen Urlaub. Dann habe ich meine Ruhe.

Mit Sasa Obradovic hat einer Ihrer ehemaligen Spieler den Trainerjob bei Alba Berlin übernommen. Kehrt mit Obradovic auch ein Teil von Ihnen zu Alba zurück?

Ich habe mich auch schon gefreut, als mein ehemaliger Spieler Luka Pavicevic nach Berlin gekommen ist. Aber meine Verbindung zu Sasa ist fester, wir haben zusammen so viel erreicht, er war mein Lieblingsspieler. Ich finde, dass Sasa der richtige Trainer im richtigen Moment für den Klub ist. Alba ist in der Situation, dass sie langsam etwas gewinnen müssen. Dieser Druck kommt nicht nur von den Medien und den Fans, Alba macht sich diesen Druck auch selbst. Aber Sasa hat genug Erfahrung, um diese Verantwortung in diesem Moment zu übernehmen. Ich vertraue ihm.

Obradovic hat vor kurzem gesagt, er habe viel von Ihnen gelernt. Auch er hat angekündigt, aggressiv und schnell spielen zu wollen.

Jeder will so spielen – aber nicht jeder kann das (lacht). Jeder will Fastbreak spielen und Dreier treffen. Aber das ist nicht einfach.

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