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Sport: Bayern - Manchester: Ein Sieger geht k. o.

Dass er sich Gedanken macht, erzählt Oliver Kahn gerne. Über seine Tochter, seine Frau, über den Fußball, über das Leben.

Dass er sich Gedanken macht, erzählt Oliver Kahn gerne. Über seine Tochter, seine Frau, über den Fußball, über das Leben. Im "Stern" lässt er sich im offenen weißen Hemd fotografieren, und man sieht, in der Reproabteilung haben sie einen Weichmacher übers Bild gelegt. Torwart Kahn in Pastell und Lindgrün. Er will weg vom Bild des Superehrgeizlings, des rücksichtslosen Rambos, der einst unter Anleitung seines Vaters Rolf in einer "Sepp Maier Torwart Kollektion" als Jugendlicher wie besessen im Schlossgarten von Karlsruhe trainierte.

Sein Image mag sich wandeln, eines bleibt: Kahn ist einer der besten Torhüter der Welt. Das hat er beim 2:1-Sieg von Bayern München über Manchester United wieder einmal gezeigt. Eine Stunde später stand er dann wieder da und sah nachdenklich aus. Diese Szene in der 18. Minute, als Manchesters Stürmer Andy Cole ihn mit dem "Knie unterm Kinn" erwischte und wie einen Boxer beim K. o. zu Boden schickte, die konnte der 31 Jahre alte Nationalkeeper nicht einfach so aus den Kleidern schütteln. "Man muss sich Gedanken machen", sagte er, "wenn man drei bis viermal in drei Jahren bewusstlos wird, dann kann das gefährlich sein. Dann muss man vielleicht irgendwann Konsequenzen ziehen", sagte er, und ein paar sind erschrocken, weil sie dachten, da kündigt einer sein Karriereende an. "Nein, es wird natürlich noch ein paar Spiele geben, aber man muss darüber nachdenken." Bayern-Manager Uli Hoeneß ist nicht erschrocken über die Gedanken Kahns. Dessen Vertrag läuft noch bis ins Jahr 2003, der Klub hat sein Gehalt auf geschätzte acht Millionen Mark pro Saison angehoben, "um ihm zu zeigen, dass er uns sehr wichtig ist".

Kaum einer genießt so viel Respekt in der Mannschaft wie der ehemalige Karlsruher. Er zahlt es mit Leistungen zurück, die für manchen jedesmal aufs Neue an Wunder grenzen. "Ich hab in der Halbzeit überlegt, ob es weiter geht", sagte er nach dem fatalen Zusammenprall. Samuel Kuffour, der ihn in einem früheren Spiel auch schon umgerannt hatte, kam herbeigelaufen und setzte zur Mund-zu-Mund-Beatmung an. "Wir haben alle Angst gehabt, was da mit ihm passiert, als er so dalag und keiner wusste, was richtig los ist", sagte Manager Uli Hoeneß. Oliver Kahn stand wieder auf. Wie so oft. Ob sie ihm nun einen Golfball an den Kopf werfen wie in Freiburg und er am Kopf stark blutet, oder ihn irgendeiner umrennt, Kahn steht auf. Mit stoischer Ruhe ertrug und erträgt er, wenn ihn bei Auswärtsspielen die Fans des Gegners mit Bananen oder Weißwürsten bewerfen. Dabei hat der Mann doch Humor: "Ich habe die Liebkosungen gar nicht mitbekommen. Ich habe mich beim Sammy aber noch mal bedankt", sagte er nach Kuffours Erster Hilfe.

Oft genug war Kahn Freiwild. Dann kommt sein Kämpferherz durch und sein Ehrgeiz, den er heute nicht mehr als störend empfindet. Es gab Zeiten, da hätte ihn sein Drang nach Perfektion fast die Karriere gekostet. Heute will er eine Führungspersönlichkeit sein, die "glaubwürdig rüber kommt". Ganz vorne dabei sein, das will er immer noch. Aber anders. "Perfekt funktionieren zu wollen, das war der größte Irrglaube." Heute spricht er nicht mehr nur über sich selbst. "Was diese Mannschaft geleistet hat, das war phänomenal. Was sie für den deutschen Fußball geleistet hat, ist unglaublich", sagte er. "Die", fügt er an und meint Manchester United, "bügeln auf der Insel alles weg, und wir schlagen die. Das war ein unglaublicher Kampf." Das klingt nicht gerade nach feiner Ironie. Doch dann grinst Kahn. "Frankfurt", sagt er über das nächste Bundesligaspiel, "Frankfurt kommt gerade recht. Da bin ich auch schon k. o. gegangen. Da freut man sich doch drauf."

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