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Bayern München: Eine Mannschaft zum Verlieben

Nach Dekaden schnöder Effektivität spielen die Bayern nun so schön wie zuletzt in den siebziger Jahren. Im DFB-Pokalfinale sind sie der eindeutige Favorit.

Am vergangenen Sonntag hat Ottmar Hitzfeld seinen Stürmer Luca Toni gefragt, ob er denn nicht mal ausnahmsweise den Kollegen bei der Arbeit zuschauen wolle. Irgendwann müsse er doch mal müde sein, der Vielspieler aus Italien. Drei Tage zuvor hatte Toni den FC Bayern mit zwei Toren in den letzten fünf von 120 dramatischen Minuten ins Viertelfinale des Uefa-Cups geschossen. Zeit für ein Pause. Ma no!, hat Toni seinem Trainer gesagt, und dass er schließlich nach München gekommen sei, um Tore zu schießen, viele Tore. Selbstverständlich ist er gegen Borussia Dortmund aufgelaufen und hat genauso selbstverständlich zwei Tore geschossen und drei Tage später in Frankfurt noch mal zwei.

Heute geht es im Pokalfinale (20 Uhr, live im ZDF) wieder gegen die Dortmunder, an die Luca Toni so gute, frische Erinnerungen hat. Er wirkt in seinen Bewegungen oft unbeholfen, was aber ausschließlich an den 194 Zentimetern Körperlänge liegt. Im Pokal-Vorspiel vor einer Woche gegen Dortmund gab es eine bezeichnende Szene. Am Strafraumeck hatte Toni den Ball angenommen, der sprang ihm ein Stück weg , aber schon mit dem nächsten Schritt hatte Toni alles unter Kontrolle. Er schoss hart, platziert und technisch perfekt – und knapp am Tor vorbei. Wahrscheinlich gibt es derzeit kaum einen anderen Stürmer, der die Kunst des Torschusses aus allen Lagen so gut beherrscht wie Luca Toni.

Die Bundesliga schwärmt von Franck Ribéry, von seinen Dribblings und Pässen und Schüssen, aber die eigentliche Sensation ist nicht der elegante Franzose, sondern der hemdsärmlige Italiener da vorne im Angriff. Dribblings und Pässe sind schön anzuschauen, aber im Fußball entscheidet nicht die B-Note für den künstlerischen Eindruck. Luca Tonis Tore sind es, die der spielerischen Leichtigkeit Ribérys den irdischen Wert geben. Zwanzig in der Bundesliga, drei im DFB-Pokal, zehn im Uefa-Cup – das macht 33 Tore in 40 Pflichtspielen. Solche Dimensionen hat dem FC Bayern seit Gerd Müller kein Stürmer mehr erschlossen. Es ist wohl kein Zufall, dass sie Toni in Italien in Anlehnung an den einstigen Bomber der Nation „Il Bomber“ nennen.

In der Rückbetrachtung kommt Müllers Bayern-Mannschaft der siebziger Jahre immer ein wenig schlecht weg. Als eine allein auf das Ergebnis orientierte Zweckgemeinschaft. Das stimmt so nicht. Die Bayern spielten damals durchaus schönen Offensivfußball, taktische Spielchen hatten sie nicht nötig, weil sie wussten, dass vorn der Müller stand und zur Not ein Tor schoss, wenn sie gerade eins brauchten. Es war dieses Gottvertrauen in die Treffsicherheit eines Einzelnen, die ihnen die Sicherheit gab. Zu den ungeliebten Minimalisten wurden sie erst in den Achtzigern, als kein Müller mehr da war.

Seitdem sind die Bayern dem schönen Spiel nie mehr so nahegekommen wie heute. Es war ein weiter Weg durch die Ebene auch manch langweiliger Spiele, denn auch ein Luca Toni musste sich das Vertrauen seiner Kollegen erst erarbeiten. Jetzt ist es da. Der Auftritt am Sonntag beim 5:0 gegen Dortmund erinnerte zeitweise an das Londoner Jugendensemble vom FC Arsenal. Es gab Spielzüge, da berührte jeder Münchner den Ball nur zwei-, dreimal. Die gesamte Breite des Platzes wurde einbezogen, und der vertikale Pass in die Tiefe des Raumes kam immer dann, wenn Toni ihn gerade brauchte. Bayerns Manager Uli Hoeneß schwärmte von „Fußball zum Verlieben“. Und das Irritierende daran war: Alles funktionierte auch ohne Franck Ribéry. Der Franzose hatte die Pause, die ihm Ottmar Hitzfeld angeboten hatte, dankbar angenommen.

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