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Sport: Bayrische Sensibelchen

Vor dem Spiel in Lens zweifeln die Münchner an ihrer Stärke

Von Detlef Dresslein

München. Ein Bayer hat nun also verloren, wenn auch nur knapp. Vielen anderen Bayern, den Angestellten des Fußballklubs aus München nämlich soll es nicht so ergehen. Schon deshalb, weil es im Fußballsport merklich schwerer ist, eine knappe Niederlage zum Sieg umzuwidmen, als in der Politik. Heute Abend (20 Uhr 45) treten die Fußballer bei RC Lens zum zweiten Spiel in der Champions League an – und für beide könnte eine Niederlage schon das Ausscheiden aus dem Wettbewerb mit sich bringen.

Ängstlich, müde, zaudernd

Die Bayern sind also wieder mal ein Rätsel. Tabellenführer in der Heimat sind sie, haben die fast optimale Ausbeute von 16 Punkten aus sechs Spielen erreicht, und trotzdem scheinen die Nerven eigenartig gespannt. Eine einzige Niederlage leisteten sie sich bisher, im Startspiel zur Champions League am vergangenen Mittwoch gegen Deportivo La Coruña. Und ausgerechnet diese scheint den routinierten, abgezockten und wetterfesten Nationalspielern nachhaltig aufs Gemüt zu schlagen. „Die Mannschaft war geschockt“, verkündete etwa Michael Ballack noch drei Tage nach der Auftaktpleite. Und Ottmar Hitzfeld reagierte ob solcher Sensibilität wenig nicht gereizt: „Wenn schon ein Ballack so etwas sagt, einer der besten Spieler Europas, dann weiß man, dass die Spieler auch nur Menschen sind und dass Kritik nicht spurlos an ihnen vorübergeht."

Eigentlich kennt man die Angestellten des Klubs gar nicht so. Der FC Bayern München als zaghaftes verängstigtes Häuflein, schlaflos des Nachts, aus Angst vor Niederlagen, und müde am Tag, weil zaudernd und der eigenen Vergänglichkeit bewusst. Sind die Bayern nicht noch vor kurzem allen Zweifeln an der eigenen Dominanz stets locker begegnet, hat jedweden Angriff der Konkurrenz locker mit Siegen in den Schlussminuten noch abgewendet?

Jetzt stehen sie in der Liga mit ordentlichem Vorsprung vorne, haben international noch fünf Spiele, um einen kleinen Ausrutscher wettzumachen, und müssen trotzdem im eigentlich gar nicht so dunklen Wald ganz, ganz laut pfeifen.

Oder gilt es etwa, mit der neu entdeckten Sensitivität anderweitige Ungereimtheiten zu kaschieren? Zwischen den Spielen gegen La Coruña und Cottbus nämlich polterte Ottmar Hitzfeld täglich in ungekannter Deutlichkeit, was angesichts der Reparierbarkeit des Schadens fast schon überzogen wirkte. Dann folgte die pomadigen erste Halbzeit gegen Cottbus, in der viele eher Lustlosigkeit, denn Ängstlichkeit sahen. Ein leises Rumoren jedenfalls ist schon zu bemerken.

Alexander Zickler etwa besorgte sich von der Vereinsführung die Freigabe zur Winterpause, und auch Jens Jeremies, einer der Dienstältesten und Hochsoliden, will angeblich noch nicht genau wissen, ob er seinen im Sommer auslaufenden Vertrag verlängert. „Es eilt nicht. Abwarten, was hier in den nächsten Wochen und Monaten passiert“, sagte er. Gefragt sind nun die Zwischen-den-Zeilen-Leser. Immerhin musste Jeremies zuletzt als einer von vier Spielern aus der Mannschaft rotieren, was der Diplomat Hitzfeld nachher viel sagend so umschrieb: „Für einige Spieler war es zur Schonung, für andere ein Zeichen.“

Insgesamt wird dieser Tage jedenfalls deutlich, wie wenig den Bayern die Liga im Vergleich zum internationalen Geschäft bedeutet. Gegen Lens geht es somit schon um den Erfolg und das Ergebnis einer ganzen Saison. Schließlich folgen danach zwei Spiele gegen den AC Mailand. Und mit null Punkten und absolutem Siegzwang in diese Begegnungen zu gehen, würde bei den Bayern niemandem gefallen. „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand und wissen, dass wir drei Punkte holen müssen“, sagt Ottmar Hitzfeld. So spricht man beim FC Bayern, wenn man von bisher zehn Pflichtspielen nur acht gewonnen hat.

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