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Tief im Westen. Lange Zeit garantierten wie hier in Bochum die Zechen viele Arbeitsplätze. Die Aussicht auf Olympische Spiele könnte wieder neue Stellen in der Region schaffen.

© Getty Images/iStockphoto

Mögliche deutsche Olympia-Bewerbung: „Beim Fußball fragt niemand nach den Kosten“

Unternehmer Michael Mronz über die Vision von Olympischen Spielen an Rhein und Ruhr 2032 und die Lehren aus Hamburgs Scheitern.

Herr Mronz, Sie wollen sich mit der Initiative Rhein Ruhr City um die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2032 bewerben. Manche haben das zuerst für einen Scherz gehalten.

Als Rheinländer lache ich gerne. Aber mit dem Thema beschäftige ich mich sehr nachhaltig. Ich bin der Überzeugung, dass großes Potenzial darin steckt.

Kommt eine Olympiabewerbung nicht vom organisierten Sport und der Politik?

Richtig, der Herr des Verfahrens ist der Deutsche Olympische Sportbund. Aber wir müssen auf Augenhöhe sein, wenn es um eine mögliche Bewerbung Deutschlands geht. Und auch ausreichend Zeit spielt eine wichtige Rolle. Wir verstehen unsere Initiative als Angebot an die Politik und Sportpolitik, aus der Mitte der Gesellschaft heraus, und werden bisher rein privatwirtschaftlich finanziert. Das unterscheidet uns maßgeblich von früheren Versuchen.

Die zuletzt alle gescheitert sind. Was läuft diesmal besser?

Rhein-Ruhr ist die fünftgrößte Metropolregion in Europa. Hier leben über zehn Millionen Menschen. Darin steckt eine enorme Wirtschaftskraft, hinzu über 500.000 Studenten. Das ist weltweit einzigartig. Viele essentielle Zukunftsthemen können mit Olympia als Motor schneller vorangetrieben werden.

Das klingt, als könnte es teuer werden.

Ganz im Gegenteil. Knapp 90 Prozent der benötigten Sportstätten für Olympische Spiele sind bereits heute an Rhein und Ruhr vorhanden. Wir geben damit im Übrigen eine einhundertprozentige Antwort auf die Agenda 2020 des Internationalen Olympischen Komitees. Es gibt beispielsweise keine Mindestanforderungen an Sportstätten mehr. Früher musste eine Basketballhalle 15.000 Plätze haben. Das Gleiche gilt für Handball, Turnen und so weiter. Bauruinen, die nach den Spielen verfallen, waren vorprogrammiert. Wir können das anders gestalten.

Es soll keine großen Investitionen geben?

Dass das IOC die Mindestanforderungen heruntergesetzt hat, macht uns flexibel. Wir können vorhandene Strukturen sinnvoll nutzen und die Sportarten können sich vor einem Publikum präsentieren, das es so noch nicht gegeben hat. Wir geben den Olympischen Spielen damit den Sport zurück - und sind schon heute ökonomisch und ökologisch nachhaltig.

Michael Mronz, 51, ist unter anderem Vermarkter des Reitturniers CHIO in Aachen und will die Olympischen Spiele 2032 nach Deutschland holen. Nach dem Tod seines Mannes Guido Westerwelle hat er den Vorsitz der Westerwelle-Stiftung übernommen.
Michael Mronz, 51, ist unter anderem Vermarkter des Reitturniers CHIO in Aachen und will die Olympischen Spiele 2032 nach Deutschland holen. Nach dem Tod seines Mannes Guido Westerwelle hat er den Vorsitz der Westerwelle-Stiftung übernommen.

© picture alliance / Rolf Vennenbe

Wie soll das konkret aussehen?

Wir können unter anderem auf 24 Großsporthallen, 16 Stadien und über 700.000 Quadratmeter Messeflächen zurückgreifen. In Gelsenkirchen wird beispielsweise ein temporäres Schwimmbecken installiert. Gladbach wird zum Hockeystadion. Und Düsseldorf lässt sich mit aufgelegtem Parkett und geschlossenem Dach für die großen Ballsportarten nutzen – mit Montag Basketball, Dienstag Volleyball und Mittwoch Handball vor jeweils 50.000 Zuschauern. Gleichzeitig lassen sich Gruppenspiele in Bonn vor weniger Zuschauern austragen.

Die Pläne scheinen schon fertig zu sein.

Drei Fragen sind noch ungeklärt: die nach dem Leichtathletikstadion, dem Olympischen Dorf und dem Medienzentrum. Das Olympische Dorf sollte dort gebaut werden, wo Wohnraummangel herrscht: zwischen Köln und Düsseldorf oder in einer der beiden Städte. Für die Leichtathletik suchen wir eine temporäre Lösung.

Was heißt das genau?

Es gibt die Überlegung, eine Laufbahn temporär in ein Stadion eines Fußball-Bundesligisten zu integrieren. So ist es beispielsweise im Stade de France in Paris, wo 2024 die Spiele stattfinden werden .

Da gibt es nicht viele, die in Frage kommen.

Es ist kein Geheimnis: In Köln denkt man über einen Stadionneubau nach. Man könnte eine Bahn einsetzen, die sich nach Olympia wieder zurückbauen lässt. Wir sind diesbezüglich in Gesprächen.

Was sollen die Spiele kosten?

Das Vergabeverfahren des IOC steht noch nicht fest. Erst dann können wir seriös Ausgaben und Einnahmen kalkulieren. Ich kann für mich in Anspruch nehmen, dass alle Projekte, bei denen ich mich in der Vergangenheit einbringen durfte, die Zahlen eingehalten oder positiv übertroffen wurden. Ein Beispiel: Bei der Leichtathletik-WM 2009 haben wir dem Land Berlin sogar Geld zurücküberwiesen.

Was motiviert Sie persönlich zu diesem Großprojekt?

Mich fasziniert die Idee, mit der Metropolregion Rhein-Ruhr etwas bewegen zu können. Olympische und Paralympische Spiele sind ein großartiges Sportereignis, das die Menschen inspirieren kann.

Sie kennen sich als Eventmanager im Sport aus. Waren Sie auch Leistungssportler?

Mein Bruder war Tennisprofi. Ich selbst habe mich an Hockey und Handball versucht, auch am Laufen. Aber auf mehr als ein paar Trainingskilometer habe ich es nie gebracht (lacht).

Sie sagen, Sie wollen die Region nach vorn bringen. Wie soll das gelingen?

Die eigentliche Vision hinter Rhein Ruhr City ist es, sich als eine Metropolitan City zu verstehen und so die Themen der vernetzten Mobilität und Digitalisierung für die Menschen, die hier leben, gemeinsam voranzutreiben. Schauen sie: In der Region findet ein Strukturwandel statt. Die letzte Zeche wird dieses Jahr geschlossen, es stellt sich also die Frage: Wo entstehen die Arbeitsplätze von morgen? Sie entstehen rund um die Themen vernetzte Mobilität und Digitalisierung, also rund um die Unis mit ihren 500.000 Studenten.

Das sind sehr große Begriffe. Was hat das mit Olympia zu tun?

Olympia kann als gemeinsame Klammer dienen. Wenn die Metropolregion Rhein-Ruhr lernt, als Einheit zu denken und nicht als einzelne Städte, von denen jede für sich arbeitet, dann kann man nachhaltige Lösungen für die Bürgerinnen und Bürger finden, von denen jeder einzelne etwas hat. Wie die Vernetzung von öffentlichem und Individualverkehr und die Verkehrsleitung. Auch in der Frage: Wo möchte ich arbeiten, wo möchte ich wohnen? Im Grünen, in der Stadt?

"Deutschland braucht nicht nur Olympische, sondern auch Paralympische Spiele"

Tief im Westen. Lange Zeit garantierten wie hier in Bochum die Zechen viele Arbeitsplätze. Die Aussicht auf Olympische Spiele könnte wieder neue Stellen in der Region schaffen.
Tief im Westen. Lange Zeit garantierten wie hier in Bochum die Zechen viele Arbeitsplätze. Die Aussicht auf Olympische Spiele könnte wieder neue Stellen in der Region schaffen.

© Getty Images/iStockphoto

Was ist bei den letzten deutschen Bewerbungen falsch gelaufen?

Hamburgs Konzept fand ich sehr überzeugend. Aber man hat den Menschen zu wenig Zeit gegeben, sich damit auseinanderzusetzen. Deswegen sind wir mit Rhein Ruhr City sehr früh gestartet. Es ist wichtig, die Leute von Beginn an mitzunehmen. Bei der Bewerbung um die Fußball-EM 2024 sind die Menschen auch mitgegangen.

Der DFB hat aber niemanden um Erlaubnis gefragt.

Das stimmt. Es zeigt aber, dass Menschen Freude haben können an sportlichen Großereignissen, wenn sie nur attraktiv gestaltet sind. Deshalb ist es wichtig, sie mit der Vision vertraut zu machen.

Olympia hatte in den letzten Jahren keinen guten Ruf. Es wird mit Doping, Kosten und Korruption in Verbindung gebracht. Was kann 2032 dem entgegensetzen?

Wir Deutschen neigen dazu, alles sehr kritisch zu sehen. Bitte nicht falsch verstehen: Ich glaube, dass das gut ist. Aber wir haben uns zuletzt seitenweise damit beschäftigt, ob der IOC-Präsident Thomas Bach früher einen Diplomatenpass haben durfte oder nicht. Dass über die Olympischen Spiele in Südkorea zwei verfeindete Staaten wieder in Dialog getreten sind, ist auch ein riesiger Erfolg des IOC und von Thomas Bach.

Kann man das wirklich dem IOC zuschreiben?

Ein Momentum trifft immer auf Vorbereitung. Es muss unsere Aufgabe sein, auch auf diese positiven Entwicklungen hinzuweisen. Ich habe größten Respekt davor, was Thomas Bach geleistet hat.

Dass es so wenig Bewerbungen gab und Bewerbungen im Westen am Widerstand der Bevölkerung gescheitert sind, hat aber ja auch Gründe.

Paris und Los Angeles sind Ausrichter aus dem Westen. Die Bewerbungen davor beruhten nicht auf Grundlage der Agenda 2020. Ich weiß, es ist ein schwerer Stand, den wir hier einnehmen. Aber wenn man sich mit der Agenda beschäftigt, hat das IOC unter Thomas Bach einen gigantischen Schritt nach vorn getan.

Wie sind die Rückmeldungen zu Ihrer Initiative bislang?

Erste Abfragen liegen bei 70 Prozent Zustimmung. Wir freuen uns darüber.

Wird es ein Referendum geben?

Erst einmal müssen wir die Bewerbungskriterien des IOC abwarten. Und dann ist unser Konzept ja auch nur ein Angebot an Sport und Politik. Die Bewerbung selbst ist Sache des DOSB.

Und dann?

Ich bin ein sachbezogener Mensch. Wenn die Bürgerinnen und Bürger eine Bürgerbefragung wollen, dann freuen wir uns darauf. Wenn nicht, sollte man das Geld sinnvoll für andere Dinge nutzen.

Gehen Sie der Auseinandersetzung aus dem Weg?

Nein, in keiner Weise. Es ist wichtig, dass wir den Menschen das Konzept frühzeitig erklären und ich freue mich auf den Dialog. Nur so können wir besser werden. Wir führen Gespräche an Universitäten, bei den Handelskammern, bei politischen Veranstaltungen. Ich sage nur: Ich bin kein Freund dieses Automatismus.

Die Guido-Westerwelle-Stiftung, deren Vorsitzender Sie sind, steht für politische Teilhabe. Wie passt das mit einem Nein zu einer Bürgerbefragung zusammen?

Wenn Sie so wollen, war Guido ein Bekenner davon, dass es gewählte Parlamente gibt. Dazu gehört auch, Entscheidungen zu treffen, die vielleicht von der breiten Öffentlichkeit erst mal nicht getragen, aber nachher als sinnvoll erachtet wurden.

Haben Sie ein Beispiel?

Der Nato-Doppelbeschluss. Hätten Sie darüber abgestimmt, wären die Menschen dagegen gewesen. Hat uns der Nato-Doppelbeschluss Frieden gebracht? Ja. Es gibt einfach politische Entscheidungen, die richtig und gut sind, auch wenn eine Anzahl von Menschen zu Beginn sagt, ich bin nicht dafür.

Sie sind also gegen eine Bürgerbefragung?

Nein, überhaupt nicht. Ich spreche mich nur gegen den bestehenden Automatismus aus: Olympische Spiele – Bürgerbefragung, Fußball-WM oder EM – keine Bürgerbefragung.

Läuft man ohne Absegnung nicht Gefahr, wieder die Kritiker zu bedienen?

Zuerst müssen wir die Kriterien des IOC abwarten, um dann auf dieser Basis ein seriöses Kostenkonzept zu erstellen. Dann gibt es eine vernünftige Sachlage. Im Übrigen auch hier: Bei einer Fußball-EM im eigenen Land fragt niemand nach den Kosten.

Was jetzt vorhanden ist, muss in 14 Jahren nicht mehr tauglich sein.

Wird es aber. Ein Beispiel: Wir haben in Aachen beim CHIO den Anspruch, auch in zehn oder zwanzig Jahren noch ein Weltklasse-Reitturnier zu sein. Das gleiche gilt für die anderen Fußballstadien und Sportarenen. Investitionen in die Wettbewerbsfähigkeit der bestehenden Arenen wird es von den Sportstättenbetreibern auch unabhängig von Olympischen und Paralympischen Spielen geben.

Was lässt sich von Ihrer Stiftungsarbeit auf Olympia übertragen?

Es bedarf Leistung, um erfolgreich zu sein. Darüber hinaus ist beides unglaublich inspirierend. Wenn wir Jungunternehmer aus Schwellenländern nach Berlin einladen und sie uns ihre zahlreichen Projekte vorstellen, dann ist das sehr inspirierend. Wie beispielsweise eine Frau die eine Seifenfabrik im Irak aufbaut, in der nur Frauen arbeiten, wodurch die Frauen an Selbstwert gewinnen. Genau diese Bereitschaft, Dinge zu verändern und Chance von Morgen zu sehen. Das ist sinnstiftend. Und dieser Spirit, der lässt sich sehr gut übertragen.

Warum braucht Deutschland Olympia?

Deutschland braucht nicht nur Olympische, sondern auch Paralympische Spiele. Es kann helfen, im Zusammenleben Berührungsängste von Menschen mit und ohne Behinderung abzulegen. Das allein wäre schon großartig für die Entwicklung unserer Gesellschaft. Und es ist gut, wenn wir uns als Deutschland auch Großprojekte zutrauen. Olympische und Paralympische Spiele können das sein, auf der Grundlage eines ökonomisch und ökologisch nachhaltigen, sinnvollen Konzeptes.

Das Gespräch führte Anne Armbrecht.

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