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Sport: Bejubelt wird der Gegner

Wie der Eishockey-Bund Fans und Image verliert

Im Frühstücksraum des Comfort Inn in Bedford wird deutsch gesprochen. Bei Erdnussbuttertoasts und Waffeln mit Ahornsirup ist Eishockey das Thema Nummer eins. Doch wenn die Reisegruppe aus Deutschland, die sich in dem Motel im Vorort von Halifax einquartiert hat, über ihren Lieblingssport spricht, wird es schnell hitzig. Die Stimmung ist umgeschlagen bei den Fans, die die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft zur Weltmeisterschaft nach Kanada begleitet haben. Der Begeisterung über den 4:2-Sieg gegen die Slowakei folgten Unverständnis und Wut, als die Affäre um den nicht spielberechtigten Deutsch-Kanadier Jason Holland bekannt wurde.

Trotzdem fanden nicht alle gut, dass als Reaktion auf Pappschildern der Rücktritt vom Sportdirektor des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB), Franz Reindl, gefordert wurde. „Wir sind hier, um die Mannschaft zu unterstützen“, sagt ein Fan. Von der Fan-Schelte des Bundestrainers Uwe Krupp („Sie sollen ins nächste Flugzeug steigen und nach Hause fliegen“) fühlt er sich gar nicht angesprochen. Andere reagieren weniger gelassen auf Krupps Verbalattacken. „Dann feuern wir im nächsten Spiel eben die Kanadier an“, sagt ein anderer Anhänger und spielt auf die nächste Begegnung in der Zwischenrunde am späten Samstagabend an (nach Redaktionsschluss beendet). Seitdem bekannt wurde, dass Kotrainer Ernst Höfner die Fans wegen ihrer Protestaktion sogar für den 0:3-Fehlstart bei der 4:6-Niederlage gegen die USA verantwortlich machte, ist die Gruppe der Kanada-Freunde gewachsen. Zwar relativierte Krupp seine Aussagen später als „zu pauschal und drastisch“, meinte aber auch: „Was da teilweise von den Tribünen rüberkommt, geht an unseren Spielern nicht spurlos vorbei.“

Mit der Fan-Schelte hat sich der DEB in Halifax endgültig in eine Wagenburg zurückgezogen. Die Feinde sitzen nun nicht mehr alleine 5000 Kilometer entfernt in Deutschland – bei der Nationalen Anti-Doping-Agentur, im Sportausschuss des Bundestages oder im Bundesinnenministerium. Jetzt sind auch die mitgereisten Fans, die ihren Jahresurlaub opfern, Gegner. Wie viel Schaden der DEB innerhalb weniger Tage angerichtet hat, wird sich wohl erst in den kommenden Monaten zeigen. Denn dann werden die Vorbereitungen auf die Heim-WM 2010 intensiviert. Vorbehaltlose Unterstützung vom Bundesinnenministerium dürfte dann ebenso wenig zu erwarten sein wie begeisterte Sponsoren. Nicht allen ist bewusst, wie groß der Imageschaden ist. Im Fall Busch, der vom DEB wegen einer veweigerten Dopingprobe nur mit einer Geldstrafe belegt worden war, beharrt der Verband auf seiner Position. Im Fall Holland weigerte sich Reindl, über Details seines folgenschweren Lapsus zu reden. Ob er nicht wusste, dass der Verteidiger 1996 an der Junioren-WM für Kanada teilnahm, oder nur nicht daran dachte, dass er in diesem Fall vier Jahre in Deutschland hätte spielen müssen, um eingesetzt werden zu dürfen, ließ er offen. Der norwegische Kapitän Tommy Jacobsen fand die Information, die in der Woche vor der WM auch in mehreren deutschen Zeitungen stand, im Internet und informierte seine Teamleitung. Die deutsche Mannschaft behielt zwar die Punkte, geriet beim 2:3 gegen Norwegen aber völlig aus dem Tritt und verspielte fast alle Chancen auf die direkte Olympia-Qualifikation. Wenn das Team tatsächlich die Spiele 2010 in Vancouver verpassen würde, würden die Fördergelder, die das Bundesinnenministerium derzeit wegen des Falls Busch eingefroren hat, deutlich zurückgefahren.

So weit denken die Fans im Comfort Inn noch nicht. Doch das Frühstück schmeckt ihnen auch so nicht mehr.

Jörg Timm[Halifax]

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