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© Mike Wolff

Berliner Sport: Karate schlägt Turnen

Bei einer Wahl im Landessportbund gewinnen überraschend die kleinen Verbände – und die Frauen.

Berlin - Im Berliner Sport sind in dieser Woche die Machtverhältnisse auf den Kopf gestellt worden. Der Turner-Bund und der Fußball-Verband sollten die Führung übernehmen in der neuen Präsidentenversammlung des Landessportbunds. Mit 77 000 und 105 000 Mitgliedern sind sie die stärksten Sportverbände der Stadt. An die Spitze wurde jedoch die Präsidentin des Karate-Verbandes gewählt (4000 Mitglieder) und als Stellvertreter die Präsidentin des American-Football-Verbandes (1500) und der Präsident des Tauchsport-Verbandes (2000).

Der Landessportbund (LSB) hat die Wahl als Erfolg seiner Kampagne zur Frauenförderung gefeiert. Das Ergebnis ist jedoch darüber hinaus bemerkenswert. Am 5. Juni wählt der LSB einen neuen Präsidenten als Nachfolger von Peter Hanisch. Der frühere Senator Klaus Böger tritt gegen LSB-Vizepräsident Diet rich Gerber an. Die großen Ballsport-Verbände haben sich schon auf Böger als ihren Kandidaten verständigt. „An der Spitze brauchen wir einen politischen Mann“, sagt Erfried Neumann, der Präsident des Hockey-Verbandes. Die Wahl Bögers galt als sicher. Doch nun hat die Präsidentenversammlung alles noch einmal durcheinandergewirbelt.

Die kleinen Verbände wollen sich nicht unterkriegen lassen. „Bei der Bezuschussung haben es die kleineren Verbände schwer, gerade wenn sie nicht olympisch sind“, sagt Kathrin Brachwitz, die Präsidentin des Karate-Verbandes. Und Kandidat Gerber sagt: „Wenn ich mir nicht sicher wäre, dass ich eine Chance hätte, würde ich nicht antreten.“

Bei der Wahl der Präsidentenversammlung hatte allerdings jeder Verband eine Stimme, bei der Mitgliederversammlung im Juni verfügen mitgliederstarke Verbände über mehrere Stimmen. Außerdem hatte die jetzige Entscheidung wohl noch eine persönliche Komponente. Frank Ebel, der Präsident des Turner-Bundes, sollte die Präsidentenversammlung leiten. „Ich hatte dieses Gremium als Kommunikationsplattform auch angeregt“, sagt der frühere Staatssekretär für Wirtschaft und Sport. Doch er verlor die Wahl mit 12 zu 40 Stimmen. Er selbst glaubt, dass seine Kritik an der Finanzpolitik des LSB eine Ursache dafür ist. Hockey-Präsident Neumann sagt: „Es lag ausschließlich an seinem Auftreten. Statt sich vor der Wahl nur vorzustellen, hat er versucht, das LSB-Präsidium in Misskredit zu bringen.“ Ebel sagt: „Es gibt eine Menge Kritik seitens der Verbände am Finanzgebaren des LSB.“ So verbrauche die Sportschule des LSB knapp eine Million Euro und bilde Gymnastiklehrer aus, von denen viele in kommerziellen Sportbetrieben landen, der Posten für Breiten- und Freizeitsport betrage nur ein Prozent des Etats, kritisiert Ebel, der auch Mitglied im Finanzausschuss des LSB ist. LSB-Direktor Norbert Skowronek wehrt sich: „Das ist ein Sammelsurium von Halbwahrheiten.“ Es gebe zum Beispiel mehrere Posten im Haushalt für Breiten- und Freizeitsport. „So etwas Stilloses habe ich in 35 Jahren im deutschen Sport noch nicht erlebt.“

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