zum Hauptinhalt
Vor dem Abflug. 1948 gewannen die Spieler von Union Oberschöneweide die Berliner Meisterschaft und den Pokal – zwei Jahre später gingen sie nach Moabit in den Westsektor.

© privat

Alte Bekannte im Berliner Fußball (7): SC Union 06: Die Erben der Schlosserjungs

Heute Bezirksliga, Mitte der Siebziger fast Bundesliga. Der SC Union 06 hat im Poststadion in Moabit viele Höhen und Tiefen erlebt - und beruft sich noch heute auf seine Ostberliner Wurzeln.

Der Schiedsrichter bringt sich in Position, die Spieler des SC Union 06 stecken kurz vor dem Anpfiff noch einmal die Köpfe zusammen zum gewohnten Ritual. Kurzes Einschwören aufs Spiel, dann schallt der Schlachtruf über das Gelände rund ums alte Poststadion: „Eisern Union!“ Wie so oft ist in den Gesichtern einiger Zuschauer Verwunderung zu erkennen. Den Ruf kennt man doch eher vom Zweitligisten aus Köpenick.

Nur wenige wissen, dass sie es bei Union 06 mit einem der einst ganz Großen des Berliner Fußballs zu tun haben. Es ist nämlich genau genommen der direkte Nachfolgeverein der eigentlichen „Eisernen“, des Schlosserklubs Union Oberschöneweide. Dessen Spieler gingen 1950 gemeinsam in den Westen, weil die DDR-Regierung ihnen die Reise zur Endrunde um die deutsche Meisterschaft in Kiel untersagt hatte. In Moabit gründeten sie einen neuen Verein, den SC Union 06.

In den Fünfzigern zog die Mannschaft zu den Heimspielen an der neuen Spielstätte im Poststadion regelmäßig mehrere tausend Zuschauer aus Köpenick an, leicht zu errechnen am Anteil der Ostmark in den Stadionkassen. Erst mit dem Mauerbau brach die Verbindung ab, an der Wuhlheide in Oberschöneweide ging das Fußballleben weiter und der 1966 neu gegründete 1. FC Union vertritt heute die Schlosser-Tradition in der Zweiten Liga.

Auf einem der Nebenplätze des Poststadions dagegen stehen sich an diesem kühlen Sommerabend ein Achtligist und ein Sechstligist gegenüber, ein Testspiel vor rund 60 Zuschauern. Union 06 gegen Tennis Borussia. „Mensch, wir gegen Tennis, das war doch früher ein richtiger Schlager“, sagt Peter Stark, ein drahtiger Mitfünfziger, der beim Reden gerne beide Arme in die Luft wirft und wie immer voller Anspannung bei seinen Unionern an der Seitenlinie dabei ist. „Na klar, das waren immer Schlager“, pflichtet ihm Harry Ruttke bei. „Das ist aber mindestens 20 Jahre her.“

Ruttke muss es wissen: Der heute 81-Jährige war Erster Vorsitzender, als der Klub seine letzten großen Erfolge feierte. 1976 zum Beispiel, als Union 06 Berliner Meister wurde und an der Aufstiegsrunde zur Zweiten Bundesliga teilnahm. Und Peter Stark war sein bester Mann, Spielmacher, zweimal Berlins Fußballer des Jahres. In der Aufstiegsrunde scheiterte Union an Arminia Hannover und dem SC Herford – und Harry Ruttke war insgeheim erleichtert: „Wir hatten gar nicht das Geld für die Zweite Liga, das wäre unser Untergang gewesen", verrät der heutige Ehrenvorsitzende.

Finanzielle Schwierigkeiten und sportlicher Absturz kamen wenig später trotzdem. Als 1980 nach einigen anderen auch Peter Stark abwanderte und seine Karriere in Richtung Bundesliga fortsetzte, ging es endgültig bergab.

Mitte der Neunziger war dann noch einmal Geld da. Union war wieder in die höchste Berliner Spielklasse aufgestiegen und startete in die Saison 1995/96 mit 13 Spielen ohne Niederlage. Gleichzeitig rumorte es aber im Umfeld. Es gab Fusionsgespräche mit dem 1. FC Union, doch die Mitglieder lehnten eine Verschmelzung mit den Köpenickern ab. Der damalige Hauptsponsor hätte die Fusion gerne gesehen, nach dem negativen Mitgliederentscheid beendete er sein Engagement. Die Spieler konnten nicht mehr bezahlt werden und suchten das Weite, in der Rückrunde holte Union 06 nur noch einen Punkt und stieg ab. Es folgte der endgültige Absturz in die Niederungen des Amateurfußballs.

Um die Jahrhundertwende spielte der Traditionsklub für mehrere Jahre in der Kreisliga B. Erst Seit 2005 geht es wieder leicht aufwärts. Dank einer eingeschworenen Truppe aus talentierten Freizeitkickern und auch dank Peter Stark, der nach seiner aktiven Karriere zu Union zurückkehrte und sich dort mit gelegentlichen Spenden und vor allem lautstarker Unterstützung am Spielfeldrand einbringt.

Im Frühjahr dieses Jahres half Stark sogar für ein Spiel als Trainer aus – ausgerechnet gegen den SV Blau Weiss, für den er einst in der Bundesliga spielte. Und wie immer brachte er sein ganzes Temperament ein. Bis der Schiedsrichter ihn zur Abkühlung hinter den Zaun schickte. Seitdem steht Stark wieder bei Ruttke und den anderen wenigen verbliebenen Zuschauern, die schon dabei waren, als es bei Union gegen Tennis Borussia noch um die Krone im Berliner Fußball ging.

Mit Hertha BSC und dem 1. FC Union sind derzeit zwei Berliner Vereine im großen Fußball vertreten – allerdings nur in der Zweiten Liga. Das war nicht immer so, Tradition ist bei vielen Vereinen der Stadt reichlich vorhanden. Wir blicken in einer Serie auf Berliner Klubs mit ruhmreicher Vergangenheit und beschreiben ihre Gegenwart. Hier finden Sie alle Folgen der Serie.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false