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Spaß am Sport. Andrea Henkel denkt auch mit 33 Jahren nicht daran, ihre Karriere zu beenden. Im deutschen Team ist sie eine wichtige Stütze.

© dapd

Biathlon: Andrea Henkel: Die Freischütz

Andrea Henkel lässt sich nicht reinreden – und will deshalb noch lange nicht vom Biathlon lassen. Am Sonntag belegte sie im Massenstartrennen in Oberhof den zweiten Platz.

Von Katrin Schulze

Erfahrung zählt gemeinhin zu den wichtigsten Tugenden im Berufsleben. Das ist bei einem Handwerker oder Wissenschaftler nicht anders als im Leistungssport. Nur bei Andrea Henkel interessiert das offenbar kaum jemanden. Immer wieder muss sich die deutsche Biathletin Fragen nach dem Ende ihrer Karriere gefallen lassen. Wann wolle sie denn nun aufhören? Und war es wirklich richtig, nach den Olympischen Spielen weiterzumachen? Nun wäre dieses Prozedere nachvollziehbar, wenn Henkel nur noch hinterherlaufen würde, doch sie zeigt konstant gute Leistungen. Im Weltcup-Sprint von Oberhof belegte sie den dritten Platz, tags darauf, im Massenstart, wurde sie sogar Zweite. Die üblichen Fragen aber blieben auch diesmal nicht aus. Mittlerweile reagiert die sonst eher zurückhaltende Thüringerin darauf ein wenig genervt. „Ich fühle mich gut“, sagt sie dann nur.

Manchmal wirkt es so, als müsse sich Henkel dafür rechtfertigen, dass sie einfach weiterläuft. Dass sie sich erdreistet, im Alter von 33 Jahren tatsächlich noch Biathlonsport zu betreiben. Um das zu verstehen, muss man ein paar Monate zurückblicken, genauer gesagt bis zum Februar des Jahres 2010. Damals, als die zweifache Olympiasiegerin Magdalena Neuner auf ihren Einsatz in der Staffel verzichtete, gewann Henkel zusammen mit Kati Wilhelm, Simone Denkinger und Martina Beck die Bronzemedaille. Heute ist Henkel die Einzige des Staffel-Quartetts, die noch aktiv ist – alle erklärten nach den Olympischen Winterspielen ihren Rücktritt. Dass sie sich anders als die Kolleginnen entschieden hat, hält Andrea Henkel nach wie vor für richtig. Nach eigenen Angaben ist ihr nicht mal der Gedanke an einen Rückzug vom Hochleistungssport in den Sinn gekommen.

Und wenn Henkel wie jetzt in Oberhof antritt, weiß sie auch wieder, warum das so ist. Keine zehn Minuten sind es vom Stadion am Grenzadler bis zu ihrem Zuhause, hier kennt sie jeden Winkel der Strecke. Hier in Oberhof, „dem einzigen Ort, wo Regen, Nebel und Wind gleichzeitig auftreten“, weiß sie mit den Bedingungen umzugehen. Im vergangenen Jahr gewann die 33-Jährige bei ihrem elften Weltcup-Auftritt im Thüringer Wald – auch mit dem Heimvorteil im Bunde – den Massenstart. Seither hat sich im deutschen Team viel getan, Henkels Leistungen aber sind immer noch konstant. Sie ist derzeit als Sechste die beste Deutsche im Gesamt-Weltcup, obwohl sie nach dem Rückzug der anderen „mehr Druck verspürt als früher“, wie Cheftrainer Uwe Müssiggang es nennt.

Andrea Henkel soll so etwas wie die Stütze des Frauenteams sein. Sie nimmt diese Rolle an, dennoch scheint es ihr nicht unrecht zu sein, dass mit Magdalena Neuner noch jemand da ist, der die ganz große Aufmerksamkeit auf sich zieht. Während die zehn Jahre jüngere Kollegin, die im Sprint am Samstag Zweite wurde und gestern im Massenstart Neunte, munter drauflosplaudert, hält sich Henkel eher zurück. Ein paar wenige Fragen beantwortet sie leise, ja beinahe schüchtern. Eine große Selbstdarstellerin wird aus Henkel vermutlich nicht mehr, auch wenn sie sich im Laufe ihrer Karriere ganz schön verändert hat; zumindest aus sportlicher Sicht. Im Moment hadert sie ein wenig mit ihren Schießeinlagen. „Ich möchte gerne wieder schneller schießen“, sagt sie. So wie einst, als kaum eine andere im Feld die Schüsse so schnell und so platziert abfeuerte wie die Thüringerin.

Recht früh in ihrer Karriere gewann Henkel so ihr erstes Olympiagold in einem Einzelwettbewerb. 2002 in Salt Lake City war es, als sie von allen Seiten zum nächsten großen Biathlon-Star gemacht wurde. Oft hat sie sich danach schwer getan, diesem Anspruch gerecht zu werden. Erst in der Saison 2006/2007, die sie mit dem Gewinn des Gesamt-Weltcups abschloss, schaffte sie es, sich richtig davon zu befreien. Inzwischen sei sie unabhängiger, sagt die Biathletin. Lockerer tritt sie jetzt auf. Und bestimmter: „Wenn ich keinen Spaß mehr am Biathlon hätte, würde ich es nicht machen.“ Von einem Karriereende will Andrea Henkel vor 2012 nichts mehr hören.

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