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Sport: Biegen, aber nicht brechen

In Durban musste ein Symbol her, in Kapstadt war der Wind das größte Problem. Knut Göppert hat die Dächer der wichtigsten Stadien in Südafrika geplant. Inzwischen beschäftigt sich der Deutsche schon mit der nächsten WM in Brasilien

Wenn in diesen Tagen die WM-Stadien ein letztes Mal weltweit über die Bildschirme flimmern, schaut Knut Göppert besonders genau hin. Schließlich hat er in allen Stadien, in denen es ums Ganze geht, die komplexe Dachkonstruktion geplant und berechnet. In Durban, wo Deutschland am Mittwochabend nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe auf Spanien traf, ist der grandiose 105 Meter hohe und 340 Meter lange Bogen über der Arena längst zum neuen Wahrzeichen der Stadt geworden. „Das Stadion in Durban ist sicherlich das spektakulärste von allen“, sagt der Dachingenieur aus Schönwald bei Villingen, zumal der Bau des Bogens an der Grenze des technisch Machbaren gewesen sei. Er stellt eine in Beton gegossene Version des „Y“ in der südafrikanischen Flagge dar, das für das Zusammenwachsen des Landes nach der Apartheid steht.

Letzten Monat ist Göppert zur Vorrunde ein letztes Mal in Südafrika gewesen, um seine Dächer im WM-Einsatz zu erleben. An einem lauen Abend sitzt der 48-Jährige in Giovannis Kaffeebar in Green Point und schaut zur festlich erleuchteten Kapstädter WM-Arena hinüber. Harmonisch und elegant fügt sich das perlmuttfarbene Stadion zwischen Tafelberg und Atlantik. Das von Göppert geplante stützenlose Dach mit den fast 10 000 Glasscheiben ist am äußeren Ring der Arena schwebend verankert. Eine Meisterleistung – wie jeder weiß, der die brutale Kraft des Kapstädter Windes kennt. „Ein paar schlaflose Nächte hat mir dieser Wind schon bereitet“, gesteht Göppert. Zumal Tafelberg und Lion’s Head enorme Turbulenzen verursachen würden.

Bis zum Kap der Guten Hoffnung ist es ein weiter Weg für den Mann aus dem Südschwarzwald gewesen, dessen Vater und Bruder in Schönwald noch immer eine Zimmerei betreiben – „solide Wurzeln“, wie er selbst sagt. Seit mehr als 20 Jahren arbeitet er für den Tragwerksplaner Schlaich Bergermann und Partner (SBP), dessen Geschäftsführer er seit 2002 ist. Seine ersten Meriten verdiente er sich nach dem Studium in Stuttgart und Calgary in der unmittelbaren Umgebung – beim Umbau des Neckarstadions zu Beginn der Neunzigerjahre. Sein erster großer Bauherr war dabei der damalige VfB-Stuttgart-Präsident und baden-württembergische Kultusminister Gerhard Meyer-Vorfelder.

Damals hätte der Vater zweier Kinder wohl nie daran gedacht, eines Tages federführend am Bau von gleich vier Stadiondächern für die erste WM auf afrikanischem Boden mitzuwirken. Neben den drei Küstenstadien Kapstadt, Port Elizabeth und Durban hat Göppert auch das Dach von Soccer City in Johannesburg geplant, wo das Turnier am Sonntag mit dem Finale seinen Höhepunkt erreicht. „Gleich vier Stadiendächer zur gleichen Zeit zu planen, war auch für Routiniers wie uns eine Herausforderung“, sagt er. Zwar habe man in Deutschland bei der WM 2006 auch mehrere Aufträge für Stadiendächer gehabt, aber über einen längeren Zeitraum.

Dass Schlaich Bergermann einen derart großen Auftrag am Kap landete, war eher Zufall. Zugute kam dem Unternehmen, dass es in Deutschland bereits gute Erfahrungen mit den Stadionarchitekten von Gerkan Marg und Partner (GMP) gemacht hatte, die sich in Südafrika mit Erfolg um den Bau der drei Küstenstadien beworben hatten – und bei der Dachplanung auf die Kollegen von SBP zurückgriffen.

Sein Lieblingsstadion am Kap kann Göppert auf Anhieb nicht benennen. Es ist wie bei Eltern und ihren Kindern – irgendwie liebt man sie alle, jedes auf seine Art. Nur so viel verrät er: Das Soccer-City-Stadion in Johannesburg sei für ihn kein Traumprojekt gewesen, weil es bereits eine Haupttribüne besaß und auch die Grundidee, nämlich das Stadion in Form einer Kalebasse (eines afrikanischen Trinkgefäßes) zu bauen, bereits feststand. In Kapstadt habe man hingegen alle Möglichkeiten gehabt – und daraus etwas ganz Besonderes gemacht. Insgeheim spürt man jedoch, dass ihm ausgerechnet das Sorgenkind in Port Elizabeth ans Herz gewachsen ist: „Das Stadion dort war sicherlich die größte Herausforderung, weil es quasi keinen Bauherren gab und wir aus sehr beschränkten Mitteln viel gemacht haben“, sagt er.

Für ihn selbst ist nach der WM vor der WM: In Südafrika gibt es zu seinem Bedauern erst einmal keine Nachfolgeaufträge – aber das nächste Fußballfest in Brasilien wartet bereits. Auch dort wird SBP wieder die Dächer von vier oder sogar fünf Stadien planen, aber auch an vielen Projekten jenseits des Fußballturniers mitarbeiten. „Das Umfeld dort ist ganz anders als in Südafrika und etwas komplizierter, weil die Brasilianer vieles gerne selber erledigen.“ Und so herzlich die Menschen auch seien – entscheidungsfreudig sei man dort nicht unbedingt.

Südafrika wird er schon deshalb nicht vergessen, weil SBP zusammen mit den Architekten von GMP gerade den ersten Preis des Deutschen Stahlbau-Verbandes für das Stadion in Green Point gewonnen hat. Es war das erste Mal, dass ein Projekt außerhalb Deutschlands ausgezeichnet wurde. Vielleicht lag es ja auch an dem grandiosen Dach, dass Deutschlands Nationalmannschaft hier am Samstag gegen Argentinien über sich hinauswuchs.

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