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© ddp

Meike Evers: „Bisher hat niemand angerufen“

Vertrauensfrau Meike Evers spricht im Tagesspiegel-Interview über ihre Arbeit in der Doping-Prävention.

Frau Evers, wie wird man eigentlich Antidoping-Vertrauensfrau des Deutschen Olympischen Sportbundes, des DOSB?

Thomas Bach, der Präsident des DOSB, hatte mich im Sommer 2006 gefragt. Das habe ich als große Wertschätzung gesehen, und ich fand die Idee von Anfang an gut. Daher habe ich sofort zugesagt. Mit mir ist noch Ex-Zehnkämpfer Frank Busemann im Amt. Es werden noch weitere Vertrauensleute gesucht, gerade aus dem Bereich Wintersport und, regional bezogen, aus Ostdeutschland.

Was genau ist denn Ihre Aufgabe?

Ich bin Vertrauensfrau für Sportler und Sportlerinnen, wenn die nicht wissen, wen sie ansprechen können. Gerade in dem Fall, dass ein Sportler von seinem Trainer oder Betreuer Doping angeboten bekommt, hat er oft keine Person, an die er sich wenden kann, da der Trainer oft ja die engste Vertrauensperson des Sportlers ist. Eltern haben häufig nicht das nötige Hintergrundwissen in Sachen Leistungssport. An den DOSB oder die Nationale Antidoping Agentur (Nada) wenden sich die Sportler oft nicht aus Angst vor harten Strafen.

Sie haben eine eigens eingerichtete Hotline, unter der Sie zu erreichen sind. Wer kann da anrufen?

In erster Linie Sportler. Aber auch Eltern, Trainer und andere Personen, die den Kampf gegen Doping aktiv angehen möchten.

Und wer ruft tatsächlich an?

Bisher noch niemand. Die Sache ist als langfristige Präventivmaßnahme angelegt. Ich gehe auch davon aus, dass sich die Sportler, die jetzt schon im Doping-System stecken, nicht unbedingt melden. Ich muss mich ganz gezielt bei den jungen Athleten vorstellen, so dass die, wenn sie in ein paar Jahren für Doping-Verteiler interessant werden, wissen, dass es mich gibt, und sie mich dann hoffentlich anrufen. Ich könnte mir aber vorstellen, dass sich schon heute besorgte Eltern aktuell betroffener Sportler mal melden.

Wie können Sie Anrufenden helfen? Sind Sie nicht einfach nur Beichtmutter?

Sucht jemand den Kontakt zu mir, dann würde ich mich zunächst mit ihm treffen wollen. Ein Vier-Augen-Gespräch ist besser als ein Telefonat. Ich möchte mir dann ein genaues Bild machen. Im Anschluss würde ich mich an den DOSB und die Nada wenden, das Ganze anonym vortragen und mich wieder mit dem Sportler unterhalten. Wenn der es dann wünscht, sollten sich alle Beteiligten an einen Tisch setzen und darüber reden. Dann geht es darum, eine Lösung zu finden. Der Sportler sollte nur eine minimale Strafe fürchten. Es muss vielmehr darum gehen, die Hinterleute zu entlarven. Der Sportler soll helfen, den Trainer oder die Person, die das Doping verabreicht, zu verfolgen.

Damit fordern Sie eine Art Kronzeugenregelung.

Ja, in etwa. Meiner Meinung nach sollten gedopte Sportler, wenn sie an der Aufklärung mithelfen, für eine kurze Zeit – etwa zwei Monate – gesperrt werden. Auch dann, wenn sie nur unwissentliche Opfer sind, denn unbestritten waren sie nun einmal positiv und haben in diesem Zustand unter Umständen auch an Wettkämpfen teilgenommen. Eine solche Regelung wäre keine harte Strafe für den Sportler, er könnte normal weitertrainieren. Er ist aber quasi vorbestraft, und würde im Wiederholungsfall lebenslang gesperrt.

Muss jemand fürchten, dass Dinge, die er oder sie Ihnen anvertraut, nicht irgendwann einmal ans Tageslicht kommen?

Was vertrauensvolle Gespräche angeht, wird von mir bestimmt keiner etwas hören. Ich bin weder dem DOSB noch der Nada gegenüber zur Bekanntgabe meiner Informationen verpflichtet. Ich habe aber keine gesetzliche Schweigepflicht wie Ärzte oder Anwälte. Sollte ich bei einem Strafverfahren als Zeugin geladen werden, müsste ich natürlich aussagen.

Sehen Sie die Dopingdebatte in einem anderen Licht als bei Ihrem Amtsantritt?

Eigentlich nicht. Ich sehe aber die Gefahr, dass die Geschehnisse im Radsport nun im Geiste auf andere Sportarten übertragen werden, sprich, dass der Generalverdacht für jeden Sportler besteht, nur weil jemand überdurchschnittliche Leistung gezeigt hat. Die Presse ist mit Verdächtigungen immer sehr schnell bei der Hand.

Sollte der Gesetzgeber gegen Doping als sportlichen Betrug strenger vorgehen?

Ich bin der Meinung, dass Sportbetrug an sich nicht strafbar sein sollte, weil durch eine strafrechtliche Sanktionierung die Möglichkeit geschmälert wird, sportrechtlich vorzugehen. Das Sportrecht greift doch schon fühlbar. Nach einer positiven B-Probe ist der Athlet sofort gesperrt und kann kein Geld mehr verdienen. Und der Sportler muss hinterher beweisen, dass er nicht positiv war. Im Strafrecht muss der Staat dem Sportler nachweisen, dass er gedopt war, dass er dopen wollte und dass es ihm bewusst war. Wird ein Strafverfahren aus irgendeinem Grund eingestellt, der Sportler war aber gesperrt, dann hat er die Möglichkeit, auf Schadensersatz zu klagen. Dann wäre eine Sportsperre erst anwendbar, wenn ein Strafverfahren vorbei ist. Wichtig ist, dass die Trainer, Ärzte oder alle, die Doping verabreichen, strafrechtlich verfolgt werden, weil sie über das Sportrecht nicht so gut bestraft werden können.

Das Gespräch führte Dieter Hanisch.

Meike Evers, 30, ist Antidoping-Vertrauensfrau des DOSB. Sie gewann 2000 und 2004 mit dem Doppelvierer Olympiagold im Rudern. Inzwischen hat die Kriminalbeamtin ihre Karriere beendet.

Dieter Hanisch

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