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Die rechte Wade von Abwehrchef Boateng ist seit dem Nordirlandspiel lädiert.

© dpa

Boatengs Verletzung: Die neue Wade der Nation

Vor dem Beginn der K.o.-Runde gegen die Slowakei sorgt sich Deutschland um Jérôme Boatengs Fitness. Denn bald könnten härtere Gegner folgen.

Für gewöhnlich fällt es nicht Assistenztrainern zu, die großen, schweren und wichtigen Sätze zu sprechen. Sie verstehen sich in erster Linie als loyale, stille Zuarbeiter ihres Chefs. Gelegentlich dürfen sie dann doch mal den Vorgesetzten vertreten, wenn dieser nichts Neues oder einfach mal gar nichts sagen möchte. Und so gehört es zu einer erprobten Übung bei der deutschen Nationalmannschaft, dass während dieser Europameisterschaft immer mal wieder Thomas Schneider und Marcus Sorg vor einem interessierten Auditorium auftreten. Auf dass sie nicht ganz in Vergessenheit geraten bei der Omnipräsenz des Bundestrainers.

So kam es, dass Marcus Sorg gestern für den Satz des Tages sorgte. „Die Verhärtung ist rückläufig“, sagte der 50 Jahre alte Ulmer und wusste vermutlich gar nicht, was er damit angerichtet hatte.

Der Satz legte sich wie eine Losung über Evian, das Örtchen am See, das seit ein paar Wochen halb in deutscher Hand ist. Die Rückläufigkeit der Verhärtung galt der Wade des deutschen Abwehrchefs Jérôme Boateng. Man darf also guter Hoffnung sein, dass Boateng, der gegen die Nordiren noch rechtzeitig ausgewechselt wurde, am Sonntag gegen die Slowakei wieder wird auflaufen können, auch wenn Sorg Prophetisches von sich wies.

Ein bisschen erinnert die mediale Erregtheit um Boateng an die einstige Wade der Nation. Die gehörte Michael Ballack und hielt vor der WM 2006 und bei der EM 2008 die halbe deutsche Nation in Atem. Ballack war damals der einzige deutsche Spieler von Weltformat, den auch die Konkurrenz fürchtete. Und ausgerechnet dessen Wade machte immer mal wieder auf und zu.

Mit einer Zerrung wäre für Boateng das Turnier zu Ende

Inzwischen hat Deutschland zwar weit mehr Spieler von Ballack’schem Format, Boateng aber hat sich bei dem Turnier in Frankreich noch einmal deutlich als einer der Führungsspieler positioniert.

Mit einer Wadenverhärtung sei nicht zu spaßen, hatte Bundestrainer Joachim Löw bereits direkt nach dem Nordirlandspiel gesagt. Er werde im Fall Boatengs nichts riskieren. Mit einer Zerrung oder gar einem Muskelfaserriss könne das Turnier für den Spieler ganz schnell zu Ende sein. Und das will ja keiner, wo es doch gerade erst anzufangen scheint.

Die bisweilen zähe Vorrunde ist überstanden. „Nun beginnt ein anderes Turnier“, wie es Mario Gomez sagte. „Jetzt müssen auch die anderen was tun“, sonst sei man schnell zu Hause.

Allerdings liegt nun auch der weitere Turnierverlauf offen, der in seiner Verzweigung eine ziemliche Unwucht aufweist. Man kann sich ausmalen, dass die Vorfreude auf die Knock-out-Phase, die nun beginnt, nicht bei allen Mannschaften gleich groß ausgeprägt ist. Vor allem bei den Italienern und Spaniern nicht, die am kommenden Montag im Achtelfinale aufeinandertreffen.

„Es ist merkwürdig, Gruppenerster zu werden, dann gegen Spanien, Deutschland und Frankreich zu spielen“, sagte etwa Italiens Nationaltrainer Antonio Conte. Beide Mannschaften standen sich noch vor vier Jahren im EM-Finale gegenüber. „Da schießt ein Großer eine andere große Mannschaft raus“, sagte Thomas Schneider. Das klang ein bisschen danach, als habe der weitere Turnierverlauf aus deutscher Sicht auch etwas Gutes. Denn auch die deutsche Mannschaft hat es in jene Turnierbaum-Hälfte verschlagen, in der sich vor allem die großen Fußballnationen tummeln.

Im Viertelfinale wartet Italien oder Spanien

Der sich für die deutsche Mannschaft abzeichnende Weg ins angestrebte Finale fühlt sich dabei schwieriger an als in der anderen Turnierbaum-Hälfte, wo sich vorrangig die Überraschungsmannschaften der Vorrunde wie Ungarn, Nordirland und Wales sowie das wackelige Portugal befinden.

Sollten also die Deutschen ihr Achtelfinalspiel gegen die Slowakei gewinnen, träfen sie im Viertelfinale auf den Sieger aus Italien gegen Spanien. In einem möglichen Halbfinale könnte es dann zu einem Duell mit dem Sieger aus einem möglichen Viertelfinale zwischen Frankreich und England kommen.

„Der vielbesagte Turnierbaum“, sagte Thomas Schneider nur noch und ließ den weiteren Satzverlauf offen. Löws erster Assistent zog sich doch lieber ins Unverfängliche und von Chef Joachim Löw zuvor vermutlich noch nicht Autorisierte zurück. „Jetzt schauen wir nur auf das nächste Spiel.“ Und natürlich auf die Wade von Jérôme Boateng.

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