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Läuft in allen Wettbewerben. Dortmunds Trainer Lucien Favre und seine Spieler.

© dpa

Borussia Dortmund: Trainer Lucien Favre ist angekommen

Bei Borussia Dortmund läuft es unter dem verkopften Lucien Favre – auch die Fans mögen den Trainer inzwischen.

In der Fußballstadt Dortmund beginnen sie gerade, ihren neuen Trainer Lucien Favre ins Herz zu schließen. Das ist gar nicht so leicht in einem Umfeld, das traditionell von überbordender Liebe und Euphorie für den ortsansässigen Fußballverein getragen wird. Da sehnen sich die Menschen nach einem Mann, der sie umarmt nach einen wunderbaren Abend, bei dem es in der zweiten Halbzeit des Champions-League-Heimspiels gegen Monaco eine Gala unter Flutlicht zu bestaunen gab. Einen, der mit starken Worten das garniert, was unten auf dem Rasen geboten wurde. Und was tut Favre? Der sagt Sätze wie diesen: „Sie dürfen nicht vergessen, dass diese jungen Spieler noch Zeit brauchen, um zu reifen. Es gibt noch viele Details zu verbessern.“

Das ist gewöhnungsbedürftig, doch die Menschen im Revier werden so viel Nüchternheit locker verkraften können, wenn das Geschehen unten auf dem Spielfeld so mitreißend ist, wie es in der fulminanten zweiten Halbzeit zu bewundern war. Am Ende hatte Borussia Dortmund sein Champions-League-Gruppenspiel gegen die Monegassen nach zähem Beginn 3:0 gewonnen und dabei erneut den Nachweis erbracht, was alles möglich ist, wenn dieses Ensemble an Hochbegabten mal ins Rollen kommt.

Beim BVB steht es derzeit in jeder Hinsicht zum Besten, das seit Wochen bestehende Hoch über dem Ruhrgebiet könnte durchaus noch ein bisschen anhalten. In seinen guten Phasen agiert die neu zusammengestellte Mannschaft mit einer Selbstverständlichkeit, die verblüffend erscheint. Verantwortlich für die Spielkultur ist Lucien Favre, dem das Projekt, gestandene Größen wie Marco Reus, Axel Witsel und Thomas Delaney mit hochtalentierten Youngstern wie Jadon Sancho, Jacob Bruun Larsen und Dan-Axel Zagadou zu einer schlagkräftigen Einheit zusammenzufügen, mit ungeahnter Leichtigkeit von der Hand zu gehen scheint.

Dabei ist es doch Favre selbst, der für sein Wirken immer wieder Zeit und Geduld einfordert. Dieses gebetsmühlenartig vorgetragene Mantra wiederholte der Schweizer Trainer auch nach dem Erfolg gegen die Monegassen, die sich der Wucht ihres Widersachers immer mehr beugen mussten.

Er kann das Spiel in die richtige Richtung lenken

Dabei stand diese Begegnung unter besonderen Vorzeichen, die so viel Spielkunst nicht selbstverständlich machten. Vor dem Spiel hatte Manndecker Manuel Akanji alle Befürchtungen vom Tisch gewischt, die Erinnerungen an den Anschlag auf den Dortmunder Mannschaftsbus vor dem Hinspiel des Champions-League-Viertelfinals gegen Monaco am 11. April 2017 könne das erneute Aufeinandertreffen beider Klubs überschatten. Er sei seinerzeit zwar nicht dabei gewesen, sagte der Schweizer, „doch so, wie ich es wahrnehme, ist das Thema eigentlich abgeschlossen. Alle freuen sich, Fußball zu spielen – und dass sie gesund sind.“ Auf die Leichtigkeit des Seins, die der neuformierte BVB im beginnenden Herbst ausstrahlt, scheint das tatsächlich keinen Einfluss mehr zu haben.

Die auffallendste Qualität der neuen Borussia ist, dass die Mannschaft in der zweiten Halbzeit immer noch was zuzusetzen hat, weil Favre das Spiel mit seinen Einwechslungen in die gewünschte Richtung lenken kann. Das klappte beim schmeichelhaften Champions-League-Auftaktsieg in Brügge, als Dortmunds Trainer mit Christian Pulisic den Matchwinner ins Spiel brachte, das klappte zuletzt in Leverkusen, als Sancho und Alcácer (zwei Jokertore) maßgeblich mithalfen, aus einem 0:2 ein 4:2 zu machen und das funktionierte auch gegen Monaco, als Jacob Bruun Larsen sechs Minuten nach seiner Einwechslung traf und die Zeichen auf Sieg stellte. Reus hält es „für brutal wichtig, dass wir auf der Bank so viel Potenzial haben und nachschießen können“. In der fulminanten zweiten Halbzeit schafften es die Dortmunder, eine solch wunderbare Balance zwischen Abwehr und Angriff auf den Rasen zu zaubern, dass dem Perfektionisten Favre trotz der kühlen Abendtemperaturen wohlig warm ums Herz geworden sein dürfte.

Tatsächlich ist die Bilanz des neuen Trainers glänzend: Im DFB-Pokal in Runde zwei, in der Bundesliga steht der Revierklub an der Tabellenspitze, in der Champions League verbucht die Borussia nach zwei Spielen die Optimalausbeute von sechs Punkten. Solange der BVB weiter zuverlässig Resultate liefert und dabei mitreißenden Fußball bietet, darf Favre weiter das tun, was seinem Naturell entspricht: Den Mahner geben und darauf hinweisen, wie viel harte und entbehrungsreiche Arbeit noch zu leisten ist.

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