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Vereinigungskämpfer. Wladimir Klitschko nutzte seinen 25. Titelfight dazu, den Menschen in seiner Heimat Ukraine Mut zu machen. Auf sportlichem Gebiet will er den derzeit vakanten WBC-Titel seines Bruders Witali zurück in die Familie holen.

© Reuters

Boxen im Schwergewicht: Wladimir Klitschko feiert WM-Sieg und Ukraine

Die Runde der Patrioten: Nicht der australische Herausforderer Alex Leapai, sondern der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine gibt Weltmeister Wladimir Klitschkos Sieg im Schwergewicht Bedeutung.

Wladimir Klitschko kletterte am dritten Ringpfosten hoch, stieß seine Steelhammer-Faust triumphierend in die Höhe und rief seinen jubelnden, blau-gelbe Fahnen schwenkenden Landsleuten lauthals zu: „Slawa Ukraini!“ Es lebe die Ukraine. Der Champion schwang sich selbst ein blau-gelbes Tuch auf seine breiten Schultern. Selten hat Klitschko einen seiner 62 Siege so enthusiastisch im Ring gefeiert und voller Freude genossen wie den K.o. gegen Alex Leapai in der fünften Runde. Es ist der Bürgerkrieg in seiner Heimat, der Klitschkos 25. Weltmeistertitelkampf einen derart patriotischen Impetus gab.

„Dieser Kampf war ganz wichtig für meine Landsleute in der Ukraine, dass sie emotional abgelenkt werden von allen Problemen“, sagte der jüngere Bruder von Witali Klitschko, der seit sechs Monaten politisch im Konflikt der Ukraine kämpft. „Ich hoffe, dass wir diese Krise überstehen, dass wir am Ende das bekommen, wovon wir träumen: in einem demokratischen europäischen Land zu leben. Die Ukraine bleibt und wird nicht gespalten.“

Der arg limitierte Gegner aus Australien war wahrlich nicht berufen, diesem Event mit einer RTL-Quote von 8,21 Millionen Zuschauern und 12.000 Besuchern in der ausverkauften Arena in Oberhausen seine besondere Bedeutung zu verleihen. Als der aus Samoa stammende Pflichtherausforderer der WBO, schon in der ersten Runde von drei linken Jabs in Folge getroffen, erstmals rücklings zu Boden kullerte, begriff Leapai, wie er später eingestand: „Das ist nicht meine Nacht.“

Der WM-Kampf war für Alex Leapai eine Nummer zu groß

Ein Weltmeisterkampf war für den Asian-Pacific-Meister einfach eine Nummer zu groß. Denn der 38 Jahre alte Titelverteidiger war blendend austrainiert, erstaunlich schnell, sehr beweglich und ungemein geschmeidig. Klitschko traf wie er wollte und machte den Eindruck, als könnte er nach Belieben den Kampf in jeder Minute beenden. Mit einem rechten Heumacher, der nicht traf, aber dessen Luftzug Wladimir zumindest spürte, besiegelte Leapai sein K.-o.-Urteil.

„Wenn einer dieser Schläge getroffen hätte, würde ich jetzt nicht hier sitzen“, sagte Wladimir Klitschko. Der Champion hatte danach Ernst gemacht. Links-rechts – und Leapai lag auf dem Rücken. Bei „Acht!“ stand er zwar wieder. Erneut links-rechts – wieder legte er eine Rolle rückwärts hin. Ein eindrucksvoller Knock-out nach 2:05 Minuten der fünften Runde. Ringrichter Eddie Cotton zählte nicht mehr, signalisierte das Ende und entschied auf technischen K.o.

Danach erhielt Wladimir Lob vom großen Bruder, der die eintägige Auszeit vom politischen Krisenstress in der Szene seines einstigen Metiers als Sekundant sichtlich genoss. „Wladimir hat geboxt wie aus dem Lehrbuch, keinen Fehler gemacht“, sagte der 42-Jährige.

Witali Klitschko will sich auf die Politik konzentrieren

Zwischen Statements zum Konflikt und zur drohenden Spaltung der Ukraine teilte der „Champion Emeritus“ des WBC eher beiläufig mit, dass er nicht an eine Rückkehr in den Ring denke, sondern sich ganz auf seine politischen Aufgaben, wie die Wahl des Kiewer Bürgermeisters am 25. Mai, konzentriere. „Ich habe nichts mehr zu beweisen. Für alles gibt es eine Zeit. Der Kampf um Demokratie in der Ukraine ist viel wichtiger für mich.“

Er forderte seinen Bruder auf, seinen WBC-Gürtel in die Familie zu holen. „Das ist seine Pflicht. Es kann nicht irgendein Typ mit meinem Gürtel herumlaufen.“ Dieser Typ wird am 10. Mai in Los Angeles zwischen dem US-Amerikaners Chris Arreola und dem Kanadier Bermane Stiverne ermittelt. Wladimir Klitschko und sein Manager Bernd Bönte hoffen, dass es gegen den Sieger im September zu einem Vereinigungskampf kommt. Aber darüber habe allein der World Boxing Council zu entscheiden. „Den Titel meines Bruders will ich unbedingt haben, schon weil ich noch nie WBC-Weltmeister war“, sagte Wladimir.

Der patriotische Familientreff der Klitschkos wurde durch Natalia vervollständigt, Witalis Frau. Sie sang auf einer Empore mit kraftvoller Stimme die melodramatische ukrainische Nationalhymne.

Hartmut Scherzer

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