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Klitschko

© ddp

Boxen: „Ist Tyson nicht mehr Weltmeister?“

Der US-amerikanische Boxsport befindet sich in der Krise. Wird das Match um den Weltmeistertitel der Verbände WBO und IBF wirklich das Interesse der Amerikaner wecken?

Nicht dass für den Kampf nicht ausreichend geworben wird. In fast allen New Yorker U-Bahnwaggons hängen Annoncen für den Kampf zwischen Sultan Ibragimow und Wladimir Klitschko und am Madison Square, wo die Schwergewichtsweltmeister am Samstag in den Ring steigen, prangt ein zehn Meter hohes Banner mit dem Konterfei der beiden Männer. Doch direkt vor der Arena, auf der wuseligen Siebten Avenue in Midtown Manhattan, weiß kaum einer etwas von dem als „Kampf der Kämpfe“ vermarkteten Event.

Boxen ist out

„Ist Tyson nicht mehr Weltmeister?“, meint Ira Blumberg, ein junger Geschäftsmann, während er von der Pennsylvania Station unterhalb des Madison Square Garden über den Bürgersteig hastet. „Interessant, dass sie mich nach Boxen fragen“, sagt Leon Levy, ein gediegener älterer Herr, der mit einer Zeitung unter dem Arm den Boulevard entlangschlendert. „Ich habe früher alle Boxkämpfe gesehen, zu der Ali-Frazier-Zeit, aber ich habe schon lange nichts vom Boxen gehört oder gelesen.“

Das Vereinigungsmatch zwischen den Weltmeistern der beiden Boxverbände WBO und IBF findet in New York – bei Kämpfen von Joe Louis oder Muhammad Ali im Garden in einem kollektiven Boxrausch – kaum Beachtung. Die Zeitungen sind voll von den Dopingskandalen im Baseball und vom Verkauf des Basketball-Stars Jason Kidd nach Dallas. Boxen hingegen findet in der Tagespresse praktisch nicht statt.

Drei Tage vor dem angeblich größten Kampf seit 1999 waren reichlich Tickets für gerade einmal 150 Dollar zu haben. Und Experten erwarteten auch nicht, dass der Garden bis Samstag ausverkauft sein würde. „Zum Boxen gehen hier doch nur noch alte weiße Männer, die sich an die großen Zeiten des Boxens erinnern und Latinos“, sagte Dave Anderson, Boxreporter der New York Times. „Der Mainstream interessiert sich in Amerika nicht mehr dafür.“

Es fehlt der starke Mann

Der offensichtlichste Grund für die Krise des Schwergewichtsboxens in den USA ist das Fehlen eines einheimischen Stars. Es gibt keinen starken Mann, der die Massen fesselt. Deshalb stiegen die großen Fernsehnetzwerke nach und nach aus dem Boxen aus – heute gibt es den Sport nur noch auf dem Kabelkanal HBO zu sehen, der in US-Haushalten nicht Teil der Kabelgrundversorgung ist.

Der Programmdirektor von HBO, Ross Greenberg, der auf den Sport setzt, weigert sich, von einer Krise des Boxens zu reden. „Die meisten Zeitungsredakteure haben dem Boxsport den Rücken gekehrt und versuchen jetzt im Nachhinein, Gründe für ihre Entscheidung zu finden“, sagt er. In Wahrheit, so Greenberg, gebe es ein breites Publikum für das Boxen. Um seine These zu belegen, verweist Greenberg darauf, dass erst im Dezember zwei Millionen Menschen je 54 Dollar bezahlt hätten, um im Pay-PerView-Verfahren den Kampf im Super-Weltergewicht zwischen Floyd Mayweather und Oscar De La Hoya zu sehen. Weitere vier Millionen hätten sich das Spektakel später im freien Kabelfernsehen in der Zusammenfassung angeschaut.

Thomas Hauser, wie Dave Anderson ein altgedienter New Yorker Boxreporter und Buchautor, entgegnet: „Klar redet Greenberg sich das schön. Er ist ein Boxpromoter wie alle anderen. Fakt ist, dass die Einschaltquoten von HBO jährlich sinken.“ Genaue Vergleichszahlen wollte HBO auf Anfrage dieser Zeitung nicht nennen.

Einig ist man sich unter amerikanischen Boxexperten auf jeden Fall, dass es der Verbreitung des Sports nicht gut tut, vier verschiedene Weltmeister zu haben, deren Namen obendrein noch kaum ein Amerikaner aussprechen kann. Der Vereinigungskampf zwischen Klitschko und Ibragimow schafft nur begrenzt Abhilfe: „Ich finde es überzogen, hier von einem echten Vereinigungskampf zu sprechen“, sagt Thomas Hauser. Wenn man tatsächlich den besten Schwergewichtsboxer der Welt ermitteln wollte, dann müsse man Klitschko gegen Nikolai Walujew antreten lassen.

Klitschko kennt keiner

Aber auch der Sieger dieses Kampfes könnte kaum die Popularität des Boxens in den USA retten. Wie wenig Zugkraft Klitschko hier hat, sieht man alleine daran, dass HBO nicht das Risiko eingeht, den Ibragimow-Klitschko-Fight als lukrative Pay-Per-View-Sendung anzubieten. „So weit sind wir hier noch nicht, dazu müssen wir unseren Bekanntheitsgrad noch erhöhen“, sagt Klitschkos Manager Bernd Bönte.

Er gibt zu, dass der Fight am Samstag vor allem dazu dienen soll, die Marke Klitschko in Amerika besser einzuführen. Der ansonsten ausgesprochen umgängliche Klitschko selbst reagierte während einer Pressekonferenz am Mittwoch auf seine mangelnde Popularität in den USA ungewohnt schnippisch. Er rede nicht gerne darüber, wie oft er von Fans angesprochen werde, wenn er in New York durch die Stadt laufe, sagte er. Oft wird es wohl nicht gewesen sein.

Sebastian Moll[New York]

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