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Nikolai Valuev vs. John Ruiz

© ddp

Boxen: Leicht verbessert, der Schwere

Nikolai Walujew ist wieder Weltmeister – seine Waffen bleiben seine Länge und Masse

Berlin - Den schillernsten Auftritt legte nach Mitternacht Don King hin. Der 77 Jahre alte Pate des Berufsboxens sah aus, als hätte er einige Stunden zuvor einen Juwelier am Kurfürstendamm ausgeraubt und seine komplette Beute angelegt. Der Amerikaner hatte ein aus vielen Ketten bestehendes, wild funkelndes Geschmeide vor dem Bauch hängen und vier riesige Brillantringe an seinen Fingern. Als er mal die obligatorische kalte Havanna weglegte, posaunte er: „Nikolai Walujew wird der beste Kämpfer der Welt werden.“ Don King muss so etwas sagen, schließlich verdient er mit am boxenden Riesen aus St. Petersburg.

Nikolai Walujew ist wieder Weltmeister im Schwergewicht. Wie schon im Dezember 2005 besiegte der mittlerweile 35 Jahre alte Koloss den Amerikaner John Ruiz nach zwölf Runden und Punkten. Der Titel des Weltverbandes WBA war vakant geworden, weil der Usbeke Ruslan Tschagajew, der Walujew im April 2007 den Titel abgeknöpft hatte, den Titel verletzungsbedingt nicht in der vorgeschrieben Frist verteidigen konnte.

Noch vor dem ersten Gong der Samstagnacht starrte der 36 Jahre alte Ruiz immer wieder auf den Boden der Ringmitte. Was er da bloß suchte? Nikolai Walujew kann es nicht gewesen sein, denn der ist 2,13 Meter groß. Wirklich in Bedrängnis konnte Ruiz seinen physisch überlegenen Kontrahenten in den folgenden zwölf Runden nie. Zwar versuchte es der 1,88 Meter große Ruiz ohne Unterlass, die Distanz der langen Führhand des Hünen zu überwinden, aber wie schon im ersten Kampf hatte er sich mit der Masse Walujew angelegt, nicht mit dem Boxer Walujew. Oft fing Walujew mit seinem verbesserten linken Jab den lästigen Widerpart ab. Ruiz marschierte vornehmlich mit dem Kopf voraus gegen Walujew und feuerte dabei blind seine Hände in Richtung Hallendecke ab. Ein paar wenige Male erwischte er den riesigen Kopf Walujews, aber Wirkung hinterließen die Schläge keine. Ruiz’ Bemühungen wirkten wie die einer Mücke, die unermüdlich gegen eine Fensterscheibe fliegt.

„Ich war heute schneller als beim letzten Kampf gegen Ruiz, bin aber nicht ganz zufrieden“, brummte hinterher der neue Weltmeister. Dass es nach der Urteilsverkündung in der Berliner Max-Schmeling-Halle auch Pfiffe gab, irritierte den Sieger nicht. „Dieses Phänomen begleitet mich meine ganze Karriere lang. Die Leute haben immer mit dem Kleineren Mitleid. Sie jubeln, wenn ich mal einen draufkriege. Und wenn ich den Gegner nicht k.o. schlage, sind sie halt unzufrieden“, sagte Walujew. Zum anderen lag die Reaktion des Publikums am Kuddelmuddel rund um die Urteilsverkündung. Das zunächst ausgerufene Punkturteil von 2:1 zugunsten Walujews wurde nach Überprüfung sämtlicher Punktzettel in ein 3:0 umgewandelt. Der japanische Punktrichter Takeshi Shimakawa entschuldigte sich hinterher für einen Fehler beim Ausfüllen eines Punktzettels. Am Sieg Walujews aber gab es keinen Zweifel. „In den ersten sieben, acht Runden haben wir einen wirklich guten Walujew gesehen, dann ließ ein wenig die Konzentration nach“, sagte Wilfried Sauerland.

Walujews Manager plant bereits die nächsten Schritte. Fest steht, dass Walujew am 13. Dezember seinen Titel freiwillig verteidigen wird. Im Frühjahr ist dann frühestens mit einem Duell gegen Tschagjew zu rechnen, der ein Herausforderungsrecht besitzt. Allerdings muss Tschagajew nach einem Achillessehnenriss erst wieder kampffähig werden. Ein Duell Walujews mit einem der Klitschkos ist derzeit nicht geplant. Zum einen boxt Witali Klitschko im Oktober in Berlin gegen WBC-Weltmeister Samuel Peter (Nigeria), Wladimir Klitschko muss seine WM-Titel (IBF, WBO) gegen den Russen Alexander Powetkin pflichtverteidigen. Powetkin ist Sauerlands zweiter prominenter Schwergewichtler.

Ob der bevorstehenden WM-Kämpfe wollte das breite Grinsen nicht aus dem Gesicht von Don King weichen. Mit seiner blechernen Stimme verstieg er sich in Anlehnung an den amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Obama zu einer kühnen Botschaft: „Die Zeit im Schwergewicht ist reif für einen Wandel.“ Walujew müsse seine Gegner mal wieder k. o. schlagen, „denn das wollen die Leute von diesem Riesen sehen“, bellte King.

Schließlich tauchte auch noch einmal John Ruiz auf. Dieser sah sich als Sieger, schließlich habe er Walujew einmal am Boden gehabt. Das stimmte zwar, doch war der Russe auf dem glatten Ringboden ausgerutscht. „Wenn ich mich erinnere, ist auch Ruiz ausgerutscht. Der Ringboden war nass vom Schweiß“, erzählte Walujew. Selbst der Ringrichter lag in der fünften Runde mal kurz am Boden. Walujew: „Und der wird uns beiden ja nicht k. o. gegangen sein.“

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