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Cicero

© dpa

Hertha BSC: Brasilien auf Europäisch

Herthas Cicero unterscheidet sich von seinen südamerikanischen Vorgängern vor allem durch Fitness, Athletik und Geradlinigkeit.

Entscheidend ist bekanntlich auf dem Platz, und dort sprechen alle Fußballspieler dieselbe Sprache. Das ist praktisch für Cicero Santos, denn der spricht abseits des Platzes nur Portugiesisch, was die Kommunikation mit den Kollegen bei Hertha BSC doch ein wenig erschwert. Bei Hertha haben sie sich daran gewöhnt, dass in der Kabine allerlei Idiome durcheinanderrasseln. Irgendwie funktioniert es schon, mit Englisch als Lingua Franca, zur Not hat sich der Schweizer Steve von Bergen mit dem Brasilianer Kaka auf Italienisch unterhalten. Fußball ist ein multilinguales Geschäft.

Cicero aber versteht nicht mal das dem brasilianischen Portugiesisch doch sehr ähnliche Spanisch. Auf dem Platz aber hat er groß aufgesprochen, am Dienstag, beim 0:0 im Testspiel gegen den FC Liverpool. Die letzte halbe Stunde durfte Cicero mitspielen. Bei jedem Schritt, jedem Ballkontakt versprühte er Ehrgeiz, und Cicero ging viele Schritte und hatte viele Ballkontakte. Beinahe wäre ihm per Kopf ein Tor gelungen, es wäre das Einzige gewesen an diesem Abend im Olympiastadion, den Hertha nur zu gern als Anfang vom Aufbruch in eine neue Zeit interpretierte. Cicero, vor einer Woche vom FC Fluminense aus Rio de Janeiro verpflichtet, war in seiner halben Stunde der auffälligste Mann auf dem Platz. „Sehr, sehr gut“, urteilte Trainer Lucien Favre. Der Brasilianer selbst reckte den Daumen nach oben und sprach einen Satz, von dem die Floskel „acostumar com futebol alemão“ bleibt. Er müsse sich noch an den deutschen Fußball gewöhnen.

Wenige der zahlreichen Brasilianer, die in den vergangenen Jahren das wahlweise blaue, weiße oder blau-weiße Hertha-Trikot trugen, haben in ihrem ersten Spiel so schnell den deutschen Stil adaptiert wie Cicero. Anders als etwa die Stürmer Alves und Luizao ist er in perfekter körperlicher Verfassung. Am Ball wirkt er so dynamisch wie Gilberto in seinen besten Tagen, überrascht aber mit intelligenten und unkonventionellen Lösungen. Im Gegensatz zum einstigen Publikumsliebling Marcelinho will Cicero nicht mit einem Dribbling die gesamte gegnerische Mannschaft lächerlich machen. Er sucht den schnellen, den direkten Pass. Und Kopfball kann er auch: Nach Marc Steins Flanke stand der gerade 1,80 Meter große Cicero förmlich in der Luft und traf den Ball so gut mit der Stirn, dass Liverpools brasilianischer Torhüter Cavalieri eine Parade zeigen musste, die seinem Trainer Rafael Benitez später ein Sonderlob entlockte.

Kurzum: In seinen ersten 30 Berliner Minuten spielte Cicero mit der Athletik eines Europäers und dem Charme eines Brasilianers. Eine Kombination, die sich jeder Trainer wünscht. Wie viel aber verrät eine halbe Stunde über einen Fußballspieler, über seinen Charakter und sein Leistungsvermögen? Cicero kommt mitten aus dem brasilianischen Ligabetrieb und ist damit in einer sehr viel besseren körperlichen Verfassung als seine Kollegen, die sich gerade durch die Mühle des Vorbereitungstrainings quälen. Da lässt es sich ein wenig leichter glänzen als im Ligaalltag, wenn alle an die Grenzen ihres physischen Potenzials gehen können. Vielleicht also ist Cicero nicht so gut, wie es am Dienstag aussah. Und vielleicht ist sein Landsmann Kaka ein bisschen besser, als es am Dienstag den Anschein hatte. In der Mannschaft nennen sie den Innenverteidiger Wundertüte, weil sie bei ihm nie sicher sind, ob ein Pass nun ankommt oder nicht. Vielleicht liegt es an den harten Trainingstagen, dass Marc Steins Beine immer dann nicht recht gehorchen wollten, wenn das Spiel schnell wurde. Und vielleicht können auch Maximilian Nicu und Rodnei, der dritte neue Brasilianer, demnächst vor Berliner Publikum ihre Vorzüge demonstrieren. Gegen Liverpool und zuvor beim 8:1 im Uefa-Cup gegen Otaci hatten sie verletzungsbedingt gefehlt.

Am Dienstag hinterließen neben Cicero ein ganz Alter und ein ganz Junger den nachhaltigsten Eindruck. Shervin Radjabali-Fardi ist im Mai 17 geworden und könnte noch in der A-Jugend spielen. Aber er fügte sich mit einer Sicherheit ein, als gehöre er schon ein paar Jahre zum Bundesligakader. Und Ersatztorhüter Christian Fiedler genoss die Ovationen der Fans, nachdem er einen Elfmeter von Woronin pariert hatte. Die Reaktion seines Trainers fiel verhaltener aus. „Christian ist auf der Linie sehr gut“, sagte Lucien Favre, aber Jaroslav Drobny habe in der vergangenen Saison eine gute Rückrunde gespielt und sei die Nummer eins. Und bleibt es auch? Favre, des ewigen Themas müde, antwortete unwirsch: „Ich habe gesagt, er ist die Nummer eins“, mehr gebe es nicht zu sagen.

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