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Sport: Brillant bis zum nächsten Bruch

Der 34-jährige Scholl empfiehlt sich für die Nationalelf – und verletzt sich erneut

Mehmet Scholl ist 34 Jahre alt, und, so viel ist abzusehen, noch in diesem Jahrzehnt wird der Tag kommen, an dem er abtreten wird von der großen Fußballbühne. Viele Menschen werden dann Interviews von ihm haben wollen, Fernsehteams werden sich damit beschäftigen, seine Karriere in Bildern nachzuerzählen. Im Prinzip ist das eine leichte Aufgabe. Sie müssten nur einen Kurzfilm aus den Ereignissen der letzten Woche zusammenschneiden. Sie stehen exemplarisch für seine Laufbahn.

Am Dienstag lieferte Scholl beim 5:1 seines FC Bayern in der Champions League gegen Tel Aviv ein grandioses Spiel ab, er wirbelte und trickste, wie es kaum ein anderer deutscher Mittelfeldspieler seiner Generation konnte. Am Mittwoch hob pünktlich die Diskussion an, die sich mit dem Nationalspieler Scholl beschäftigte, die durch sein überragendes Spiel gegen Mainz (4:2) noch an Fahrt gewann. Und dann, das gehört bei Scholl ebenfalls dazu, verletzte er sich. Zusammenprall mit dem Mainzer Jürgen Kramny, doppelter Jochbeinbruch plus Fraktur des Augenhöhlenbodens, Ende der Vorrunde.

An der Frage, inwiefern Mehmet Scholl der deutschen Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land weiterhelfen könne, ändert sich dadurch freilich nichts. Zur Rückrunde wird Scholl wieder fit sein, er wird wieder hier und da ein brillantes Spiel machen, und irgendwann wird Jürgen Klinsmann vermutlich wieder einen Satz sagen wie jenen, mit dem er am Donnerstag die Spekulationen aufgewertet hatte. „Wenn Mehmet permanent Spiele als Joker rumreißt, ist er auch ein Thema für die WM 2006“, hatte sich der Bundestrainer von „Bild“ zitieren lassen, wiewohl mit dem Hinweis, dass er mit einer Entscheidung „noch Zeit bis zur WM“ habe. Aber: „Ich freue mich über seine tollen Auftritte, weil er ein Instinktfußballer ist, der immer für Überraschungen sorgen kann.“

Einigermaßen überraschend hatte Scholl im Frühsommer 2002 auch seinen Rücktritt aus der Nationalelf verkündet, nach 36 Spielen und acht Toren. Gemessen an seinen fußballerischen Qualitäten sind das geradezu lächerliche Zahlen, nicht ein Mal hatte der geniale Techniker sein Land bei einer WM vertreten. Doch schon 2002 konnte Scholl selten mehrere Spiele in Folge absolvieren. Nach einer Bandscheibenoperation hat er nun erstmals seit März 2003 mehr als zwei Spiele hintereinander bestritten. Und sich dabei die Diskussion über ein Comeback gewissermaßen selbst eingebrockt.

Mit hervorragenden Leistungen hatte er erheblichen Anteil am steilen Aufwärtstrend der Bayern, am Samstag zählte er nicht nur wegen eines Tores und einer Vorlage erneut zu den stärksten Münchnern. Nach dem Spiel gegen Mainz hatte sich Scholl erstmals zu dem Thema Nationalelf geäußert: „Diese Spekulationen kommen nicht von mir, und die sollen eigentlich auch aufhören.“ Im DFB-Team habe er „im Moment überhaupt nichts verloren“, ergänzte Scholl, „wenn die WM in zwei Jahren ist, dann bin ich noch mal anderthalb Jahre älter. Also, schneller werde ich nicht mehr.“ Er hatte zu diesem Zeitpunkt noch keine Ahnung, wie schlimm seine Verletzung war. Fast schien es, als sollte sie beweisen, wie berechtigt seine Skepsis ist.

Um Geduld hatte am Samstag daher auch Uli Hoeneß gebeten. Der Manager ist so etwas wie ein väterlicher Freund des dienstältesten Bayern-Profis, über Vertragsverlängerungen haben sich die beiden stets ohne Berater geeinigt, voraussichtlich werden sie das demnächst wieder tun, Scholls Kontrakt läuft im Sommer aus. Im Moment sei das Thema WM „ein bisschen verfrüht“, sagte Hoeneß, „wenn er im Frühjahr 2006 in der Form ist, kann man sich drüber unterhalten. Mehmet ist ein Spieler, den kann ich auch vier Wochen vor der WM einbauen.“ Längerfristige Planungen und Mehmet Scholl schließen sich halt irgendwie aus.

Daniel Pontzen[München]

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