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Sport: Bruder Grimmig

Die Klitschkos wollten Box-Geschichte schreiben, jetzt muss der ältere Bruder Witali siegen – sonst sind sie selber Geschichte

Berlin. Geschichte wollten sie schreiben, Wladimir und Witali Klitschko. Beide Boxer wollten gleichzeitig Weltmeister im Schwergewicht werden und mit einem Schlag Amerika, den größten und wichtigsten Markt weltweit, erobern. Mit der K.-o.-Niederlage Wladimir Klitschkos am Osterwochenende in Las Vegas ist die eine Hälfte des schönen Plans missglückt. Am Samstag (2:40 Uhr live im ZDF, Kampfbeginn 3:30 Uhr) wird Witali Klitschko versuchen, Weltmeister zu werden. Wenn nicht, dann ist das boxende Brüderpaar Geschichte, aber anders als geplant. Dann wäre es vorbei mit der Marke Klitschko im Mekka des Boxens.

Die ersten Ausläufer dieses Rückschlags haben längst Wiesbaden erreicht. Die dort ansässige Sportvermarktungs-Agentur „La Ola“ verkauft ihren großen Hit nicht mehr so gut wie geplant. Eine Lufthansa-Boeing vom Typ 747-400 hatte die Agentur gechartert, um wichtige Geschäftskunden direkt zu Witalis Kampf nach Los Angeles zu befördern. Mit im Paket: zwei Übernachtungen im Wilshire Grand Hotel sowie die Eintrittskarte. Knapp 200 Buchungen für die Economy Class (999 Euro) liegen bereits vor. Der Absatz für die Business Class (3999 Euro) und First Class (5999 Euro) sei etwas ins Stocken geraten, sagt Christian Howaldt von der „La-Ola-Events GmbH“. Da habe die Niederlage des kleinen Klitschkos bei potenziellen Buchern zu einigen Irritation geführt. Abheben aber wird der Jumbo am Freitagmorgen trotzdem.

Jetzt also liegt es an Witali Klitschko, die Familienehre wiederherzustellen und die Pläne von der boxerischen Eroberung der USA wenigstens halbwegs zu retten. Im Staples Center von Los Angeles trifft Witali Klitschko auf den Südafrikaner Corrie Sanders, der vor 13 Monaten Wladimir Klitschko in Hannover ausgeknockt hatte. In Kalifornien wird es um den WM-Titel des World Boxing Council (WBC) gehen, der vakant wurde, nachdem der Brite Lennox Lewis diesen freiwillig niedergelegt hatte. Und weil Lennox Lewis ihn innehatte, der beste Schwergewichtler der letzten zehn Jahre, gilt der WBC-Titel als der wertvollste von allen anderen (WBA, IBF und WBO).

Witali Klitschko könnte also Lennox Lewis folgen und sich einreihen in eine Galerie wirklich großer Champions. Sollte es wirklich so kommen, werden diejenigen Abbitte leisten müssen, die ihm diese Entwicklung nicht zugetraut haben, als er mit seinem Bruder von den Amateuren ins Profilager wechselte. Die Promoter rissen sich damals um Witalis fünf Jahre jüngeren Bruder Wladimir. Der war 1996 zwanzigjährig Olympiasieger in Atlanta geworden. Er war der erste weiße Olympiasieger im Schwergewicht seit 36 Jahren. Doch er war nur zusammen mit seinem Bruder zu haben. Amerikas Boximpressario Don King verlor das Rennen um die beiden Kolosse aus Kiew. Der Hamburger Klaus-Peter Kohl nahm beide unter Vertrag.

Witali Klitschko war weniger talentiert und weniger elegant. Er kam vom Kickboxen und musste umgeschult werden. Doch dieser kantige Typ entwickelte sich besser als gedacht. Seine ersten 27 Profikämpfe gewann er durch Knockout, was dem promovierten Sportwissenschaftler den Kampfnamen „Doktor Eisenfaust“ einbrachte.

Als einer der schnellsten Niederschläge ging jener vom 25. Januar 1999 in die Boxgeschichte ein. Klitschkos Gegner war damals ein gewisser Mike Acklie aus Amerika, der nach 27 Sekunden nicht mehr aufstand.

Witali wurde Europameister, dann sogar Weltmeister. Durch eine Schulterverletzung verlor Klitschko den WBO-WM-Titel am 1.April 2000 in Berlin an den Amerikaner Chris Byrd. Wenige Monate später holte Bruder Wladimir diesen Titel zurück, verteidigte ihn mehrfach erfolgreich, bis er ihn an eben jenen Sanders verlor, der Samstag auch noch den zweiten Klitschko auf die Bretter schicken will.

Das Festhalten an Witali Klitschko hat sich gelohnt. Seinem langjährigen Trainer Fritz Sdunek gelang es, den Bewegungsablauf des 2,02 Meter großen Boxers zu verfeinern. Witali wirkt längst nicht mehr so hüftsteif wie zu Beginn seiner Karriere. Den größten Ruhm aber dürfte ihm der Kampf gegen Lennox Lewis im Juni eingebracht haben. Zwar wurde Lewis zum Sieger erklärt, weil der Kampf nach sechs Runden wegen zweier klaffender Risswunden in Klitschkos Gesicht abgebrochen werden musste, doch auf den Punktzetteln lag er vorn. „Dieser Kampf hat gezeigt, dass er nicht nur mithalten kann mit dem besten Boxer, sondern ihn auch schlagen kann“, sagte Trainer Sdunek unlängst. „Wäre der Kampf nicht abgebrochen worden, ich bin mir sicher, dass er ihn gewonnen hätte.“ Ähnlich wird vielleicht auch der Brite gedacht haben, der nicht mehr zum Rückkampf antreten mochte, sondern den Titel kampflos niederlegte.

Doch selbst ein Sieg am Samstag wird die jüngste Niederlage des Bruders nicht in Gänze aufwiegen können. Die Zeit des Boxers Witali Klitschko ist begrenzter als sie erscheinen mag. Im Juli wird er 33 Jahre alt, doch sein körperlicher Verschleiß ist ungleich höher. Zahlreiche Verletzungen bis hin zu einem Bandscheibenvorfall haben seinen Weg als Boxer begleitet.

Auch deswegen war sein viel begabterer und weniger verletzungsanfälliger Bruder ausgeguckt worden, die Schwergewichtsszene auf Jahre hinweg zu beherrschen. Witali wollte ihn dabei als Bruder, Freund, Betreuer und Manager begleiten, nicht aber als Platzhalter. Und schon gar nicht als Konkurrent.

Vor allem der Ältere der beiden hatte den Plan forciert, die „K 2 Promotion“ in den USA zu gründen, deren Eigentümer beide Klitschkos sind. Erstmals tritt ihre eigene Agentur am Samstag als Veranstalter auf, nachdem sie ihrem Hamburger Promoter und Manager Klaus-Peter Kohl die Rechte dafür abgekauft hatten. Eine Niederlage würde die ehrgeizigen Ambitionen von „K 2“ stören. Wahrscheinlich sogar zunichte machen.

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