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Im Gleichschritt Marsch! Herthas Trainer Otto Rehhagel in stiller Übereinkunft mit den beim FC Bayern sozialisierten Profis Christian Lell (Mitte) und Andreas Ottl. Foto: dapd

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Bundesliga: Hertha hat gegen Bayern nichts zu verlieren

Niemand erwartet an diesem Samstag einen Hertha-Sieg gegen die übermächtigen Bayern. Doch gerade in dieser scheinbar aussichtslosen Konstellation könnte eine Chance liegen.

In der Komödie am Kurfürstendamm steht heute Abend um 20 Uhr das Stück „Fettes Schwein“ auf dem Programm – eine scharfzüngige Unterhaltung, wie es beworben wird. Gut möglich, dass das Haus einen gewissen Andrang zu verzeichnen hat. Um die 600 Besucher kann das Theater pro Veranstaltung aufnehmen. Aber was ist das schon im Vergleich mit der Bühne Fußball-Bundesliga? Das Duell zwischen Hertha BSC und Bayern München im Olympiastadion, das anderthalb Stunden vorher beginnt, ist seit Wochen ausverkauft: 74.244 Zuschauer werden dem Spiel beiwohnen, wobei es für das gastgebende Personal großes Blamierpotenzial birgt.

„In der Öffentlichkeit haben wir das Spiel längst verloren“, sagt Otto Rehhagel. Schon deshalb sollte die Begegnung für Hertha die leichteste überhaupt sein. Die Berliner haben nichts zu verlieren, sie können eigentlich nur überraschen und etwas an Auftrieb gewinnen. Motivationsprobleme bei seinen Spielern habe der Trainer jedenfalls nicht ausgemacht. Warum auch, meint Rehhagel. In der Komödie am Kurfürstendamm wäre man „froh, mal vor 70.000 Menschen zu spielen“.

Otto Rehhagel hat in seiner lebenslangen Rolle als Fußballtrainer schon – gefühlt – unendliche Male (45) den FC Bayern gegenüber gestanden und das so erfolgreich wie kein Zweiter (18 Siege). Der 73-Jährige hat die Bayern sogar schon einmal selbst gecoacht, was er allerdings am liebsten aus dem kollektiven Gedächtnis gestrichen wüsste. Es passte halt nicht. Dafür aber mit Beate. Im Gespann mit seiner Gattin ist Otto Rehhagel auch ein Freund des Bühnenschauspiels geworden. Von daher darf man seine Einlassung über die Komödie am Kurfürstendamm durchaus ernst nehmen. Und außerdem: „Meine Spieler brauchen keine Angst zu haben“, sagt Rehhagel, „ist ja nur ein Spiel.“

Aber Hertha braucht unbedingt Punkte, um den Absturz irgendwie aufhalten und somit dem drohenden Abstieg entgehen zu können. „Wir müssen sehen, ohne Angst und mit großer Begeisterung und Mut in dieses Spiel zu gehen, sonst haben wir keine Chance“, sagte der Trainer. Dafür verlangt er Stabilität an Körper und Geist, wie er es ausdrückt. Allerdings ist Rehhagel nicht naiv, er sieht auch eine Niederlage im Bereich des Möglichen. Aber wenn man schon ein Spiel verliere, „muss man als Held vom Platz gehen, und sich nicht abschlachten lassen“. 14 Tore haben die Bayern in ihren beiden zurückliegenden Spielen gegen Hoffenheim und Basel erzielt. Hertha dagegen hat das Kunststück fertig gebracht, sieben der acht Rückrundenspiele zu verlieren und das bei einem Torverhältnis von 2:15.

Die Aussicht auf einen Erfolg der Berliner könnten also günstiger sein. Dabei bietet gerade eine solche scheinbar aussichtslose Konstellation Chancen. Viel zu verlieren hat Hertha inzwischen nicht mehr. Die Mannschaft ist bereits das schlechteste Team der Rückrunde, niemand erwartet an diesem Samstag einen Sieg. Und doch spricht einiges für die Berliner. Oft war es so, dass Hertha gerade gegen spielstärkere Mannschaften besser aussah als gegen Teams aus der Tabellennachbarschaft. Gegen Meister Dortmund war das so, aber auch im Pokalspiel gegen Mönchengladbach. Den Berlinern kommt es entgegen, wenn die gegnerische Mannschaft offensiv spielt. Es muss ja nicht eine solche offensive Wucht sein, wie sie über Hoffenheim und Basel hereinbrach.

„Warum sollten wir nicht zuversichtlich sein?“, fragt Christian Lell. Es gebe andere Mannschaften, „die gezeigt haben, dass man Bayern schlagen kann“. Beliebig oft gehe das zwar nicht, „aber in einem Spiel ist alles möglich“. Ganz ähnlich sieht es der Kollege Andreas Ottl, der ebenso wie Lell mal bei den Bayern gespielt hat. Die Rollen seien klar verteilt: Bayern sei der große Favorit, Hertha die Mannschaft, die kompakt stehen müsse und im Gegenstoß das unmöglich Erscheinende schaffen könne. „Wir haben schon gezeigt, dass wir in solchen Spielen gut aussehen können“, sagt Ottl. Der 26 Jahre alte Mittelfeldspieler hofft nach seiner Rot-Sperre und der Nichtberücksichtigung am vorigen Wochenende wieder auf seinen Einsatz. „Ich bin überzeugt davon, dass ich mit meiner Art, Fußball zu spielen, der Mannschaft helfen kann“, sagt Ottl. Im zurückliegenden Spiel in Köln setzte Rehhagel auf das defensive Mittelfeldduo Kobiaschwili/Perdedaj. Kobiaschwili ist jedoch heute gesperrt.

Zudem hat Ottl einen Plan, was sich bisher nicht von allen Herthanern sagen ließ. „Wir müssen den Bayern in Zweikämpfen den Spaß nehmen“, sagt er. „Wichtig wird sein, ihnen Paroli zu bieten.“ Nur auf diesem Weg könnte verhindert werden, dass das Spiel am Samstag aus Berliner Sicht tragische Züge annimmt und die Herthaner nur noch arme Schweine sind.

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