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Pantelic

© ddp

Bundesliga im Test: Stürmische Zeiten

Die Fußball-Bundesliga hat begonnen. In unserer Serie haben wir alle Vereine auf Stars, Stimmung und Chancen getestet. Hier die Hertha-Folge vor dem Auftakt am Sonntag.

Was hat sich verbessert?

Vor allem die Akzeptanz an der Basis. Herthas Fans freuensich so intensiv und so zahlreich wie schon lange nicht mehr auf die neue Saison. 12.000 wollten im Jahnsportpark in der Qualifikation zum Uefa-Pokal eine namenlose Mannschaft aus Moldawien sehen, mehr als 50.000 kamen ins Olympiastadion zum Testspiel gegen den FC Liverpool, und am letzten Sonntag im Juli hatten geschätzt 30.000 bei schönstem Sommerwetter nichts Besseres zu tun, als bei Herthas Tag der offenen Tür über das Olympiagelände zu lustwandeln.

Warum eigentlich? Hertha hat eine passable, aber keineswegs überragende Saison gespielt, es gibt auch keine spektakulären Einkäufe. Und doch hat es der lange Zeit in Richtung Bedeutungslosigkeit tendierende Klub geschafft, so etwas wie Aufbruchstimmung zu schaffen. Offensichtlich ist es Trainer Lucien Favre schon nach einem Jahr gelungen, sein Versprechen auf schönen und offensiven Fußball glaubhaft an den Fan zu bringen.

Wer sind die Stars?

Herthas Fans sind ein wenig nostalgisch veranlagt: Sie sehnen sich nach den blau-weiß gestreiften Trikot der Siebziger Jahre (die haben sie bekommen) und einem Aufstiegshelden von 1997 (den werden sie nicht bekommen). Denn Christian Fiedler wurde für seinen gegen Liverpool gehaltenen Elfmeter gefeiert wie Robbie Williams, klärte dann aber die Torwartfrage bei Hertha BSC gleich selbst – unfreiwillig und auf höchst schmerzhafte Weise. Er demolierte sich das Kreuzband.

Jaroslav Drobny ist damit weiter unbestritten die Nummer eins. Stürmer Marko Pantelic hat sich mit seinem leidenschaftlichen Stil und seinen vielen Toren Sympathien erspielt, einige davon aber durch seine eher von Gier denn Augenmaß zeugenden Vertragsverhandlungen wieder eingebüßt.

Arne Friedrich hat als Stammspieler in der Nationalmannschaft das Potenzial zum Star, wird von der Anhängerschaft aber eher geschätzt, denn geliebt. Der Brasilianer Cicero spielt spektakulär und erfolgsorientiert zugleich, vielleicht wird er ein neuer Publikumsliebling. Ob der Tunesier Mohamed Amine Chermiti, so er denn die kolportierte Ablösesumme von 2,2 Millionen Euro plus einer Nachzahlung im Erfolgsfall wirklich wert ist, bleibt abzuwarten.

Und dann ist da noch Marc Stein. Der Verteidiger von Hansa Rostock fügte sich in der Vorbereitung gut ein. Kein Wunder. Sein bisheriger Trainer Frank Pagelsdorf gab ihm ja auch noch ein paar aufmunternde Worte mit auf den Weg nach Berlin: "Der hat das Zeug zum Nationalspieler.“

Welche Taktik ist zu erwarten?

Lucien Favre ist vom offensiven Fußball so sehr angetan wie nur wenige seiner Kollegen in der Bundesliga. An Herthas Aufstellung ist das nicht unbedingt zu erkennen, jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Der Schweizer favorisierte bisher ein System mit nur einem echten Stürmer, was aber auch daran liegt, dass ihm neben Marko Pantelic die Alternativen fehlten.

Das könnte sich ändern. Mit Mohamed Amine Chermiti, so er denn endlich einen Vertrag bei Hertha unterzeichnet, besteht die Chance, die Angriffskraft zu verdoppeln. Ob der Trainer sich zu einem Zwei-Mann-Sturm wirklich durchringen kann? Favres Lieblingsspieler Raffael ist mehr ein Schleicher zwischen den Linien. Für den Zug nach vorn sollen vor allem zwei defensive Mittelfeldspieler sorgen: Gojko Kacar, der Wintereinkauf aus Serbien, der sich schon in seiner ersten Halbserie in der Bundesliga zur spielgestaltenden Figur entwickelt hat. Und Cicero, der sehnige Brasilianer, der zur Not auch als Stürmer eingesetzt werden kann und sich damit bestens in Favres Wunschvorstellung von einem polyvalenten Spieler fügt.

Wer hat das Sagen im Verein?

Seit gut zwölf Jahren geht bei Hertha BSC nichts ohne Dieter Hoeneß. Der frühere Nationalspieler vereinigt in seiner Position die kaufmännische und die sportliche Leitung. Mächtiger ist in der Bundesliga nur Felix Magath, der in Wolfsburg zusätzlich noch als Trainer amtiert.

Hoeneß tut sich schwer damit, Verantwortung zu delegieren. Die Bestellung des früheren Hertha-Kapitäns Michael Preetz zum Leiter der Lizenzspielerabteilung erfolgte eher halbherzig. Nach wie vor beansprucht Hoeneß das letzte Wort für sich. Es spricht allerdings für den uneingeschränkten Herrscher im Verein, dass er vor einem Jahr in Zeiten großer sportlicher Not den in der Bundesliga völlig unbekannten Lucien Favre als Trainer verpflichtete, von dem man immerhin eins wusste: Er lässt sich von niemandem in seine Arbeit reinreden. Dieter Hoeneß hätte es bequemer haben können. Nicht er war in der vergangenen Saison Favres Verbindungsmann zur Vereinsführung, sondern Michael Preetz.

Wie ist die Stimmung im Stadion?

Das Berliner Olympiastadion ist zu zwei Gelegenheiten eine der beeindruckendsten Arenen der Welt: Wenn es ganz voll ist oder ganz leer. Ansonsten verliert sich der architektonische Zauber schnell in dem riesigen Kessel, und an der Laufbahn zwischen Spielfeld und Tribünen ist auch nur der blaue Anstrich originell.

In den vergangenen Jahren verhinderte zudem das Missverhältnis tragender Fangruppen zu Manager Dieter Hoeneß eine bessere Stimmung im Stadion. Dieser Konflikt aber scheint sich nach einem Jahr mit Lucien Favre auf der Trainerbank in Wohlgefallen aufgelöst zu haben. Beim unbedeutenden Testspiel gegen den FC Liverpool schunkelten Herthas Fans selig wie lange nicht mehr. Selbst ein 0:0 als Endresultat störte die Freude nicht nachhaltig.

Welche Platzierung ist zu erwarten?

Lucien Favre durfte sich den Kader nach seinen Vorstellungen zusammenbasteln. Anders als in der vergangenen Saison ist es also "seine“ Mannschaft. Das erhöht den Anspruch, Favre hat ihn selbst formuliert. In diesem Jahr muss Hertha auf einem einstelligen Tabellenplatz landen. Für das internationale Geschäft dürfte es noch ein wenig zu früh sein.

Morgen: Eintrach Frankfurt. Die gesamte Serie finden Sie im Internet unter: www.tagesspiegel.de/sport

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