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Zweite Chance. Den ehemaligen Stuttgarter Carlos Dunga nennen sie in Brasilien auch „o alemao“, den Deutschen. Dunga war bereits bei der WM 2010 Brasiliens Trainer.

© AFP

Neuer Trainer bei der Selecao: Carlos Dunga: Die Rückkehr des Esels

Vor vier Jahren wurde „o alemao“, der Deutsche, noch vom Hof gejagt nach dem Viertelfinalaus bei der WM in Südafrika. Nun soll der einst vielkritisierte Carlos Dunga zum zweiten Mal Brasiliens Nationalmannschaft trainieren.

Johan Cruyff, der vielleicht eleganteste Fußballer, den die elegante Fußball-Nation Holland je hervorgebracht hat, hat sich nach dem Ende seiner Trainerlaufbahn ein Hobby zugelegt. Cruyff widmet sich dieser Beschäftigung mit voller Hingabe, er versteht sich als Kritiker des Weltfußballs. Gefragt oder ungefragt richtet er über Spieler und Trainer, Spielstile und taktische Formationen.

Vor vier Jahren, bei der Weltmeisterschaft in Südafrika, fällte er ein besonders vernichtendes Urteil über Brasilien: Diese Mannschaft sei ihr Eintrittsgeld nicht wert, polterte Cruyff. Eher müssten die Zuschauer entschädigt werden, die sich dieses grauenhafte Gekicke ansehen. Hauptverantwortlich für die Hässlichkeit des brasilianischen Spiels war laut Cruyff Nationaltrainer Carlos Dunga. Weil das auch die gut 200 Millionen fußballinteressierten Brasilianer in Brasilien so sahen und der öffentliche Druck immer größer wurde, musste Dunga nach dem Aus im Viertelfinale gegen Holland gehen.

Vier Jahre später ist Carlos Dunga, genannt „o alemao“, der Deutsche, wieder da. Er soll heute im Rahmen einer Pressekonferenz in Rio de Janeiro als neuer, alter Nationaltrainer und Nachfolger von Luiz Felipe Scolari vorgestellt werden. Seine Berufung gilt als sicher. Zuvor hatten verschiedene Medien berichtet, Dunga habe einen Vertrag unterschrieben.

Der Esel ist also zurück. „Burro“ hatten ihn die wartenden Fans gerufen, als er 2010 nach dem 1:2 gegen Holland mit der Mannschaft ins Hotel heimkehrte. Gut nur, dass der Sport im Allgemeinen und Fußball im Speziellen lediglich über ein Kurzzeitgedächtnis verfügen. Mittlerweile gilt das knappe Resultat von Port Elizabeth längst nicht mehr als nationale Katastrophe. Eine Niederlage von epischem Ausmaß ist es, die Dunga zu einer zweiten Amtszeit verhilft. 1:7 unterlag Brasilien im WM-Halbfinale gegen Deutschland – nie hat es eine derbere Abreibung auf der größtmöglichen aller Bühnen gegeben. Da kann etwas von der deutschen Ordnung auf dem Feld nicht schaden. Dunga soll sie dem Team einimpfen. In den Tagen nach dem WM-Aus war Brasiliens Fußball überall hinterfragt worden. Zu deutlich zeigte sich im Laufe der WM, woran es dem Rekord-Weltmeister mangelt: an individueller Klasse in der Offensive, an Organisation und an einer Spielidee. Vor allem die auf Effizienz angelegte Spielweise von Trainer Scolari stand im Mittelpunkt der Kritik. Brasilien dürfe seine fußballerische Identität nicht dermaßen verleugnen, forderten Experten nicht nur in Brasilien. Dahinter versteckte sich die Forderung nach einer Abkehr vom Ergebnisfußball.

Allein unter diesem Gesichtspunkt verwundert die Rückkehr Dungas. Wenn jemand in Brasilien für Effizienz steht, dann er. Dunga war Kapitän der Weltmeistermannschaft von 1994, jenem Team, das zum ersten Mal das Ergebnis dem jogo bonito vorzog. In der Mannschaft standen beinharte Defensivspezialisten wie Branco, Mauro Silva oder eben Dunga. Mittelfeldspieler Rai, der einzige Künstler abgesehen von Stürmer Romario, wurde vor dem Viertelfinale aussortiert.

Mit dabei in den USA war auch ein gewisser Gilmar Rinaldi. Als dritter Torwart hatte er kaum Anteil am sportlichen Erfolg der Mannschaft, war aber trotzdem ein enger Vertrauter des Kapitäns Dunga.

Heute ist Rinaldi als Manager für die Seleçao zuständig. Als nach dem Halbfinalaus in Brasilien darüber diskutiert wurde, ob nicht zum ersten Mal in der Geschichte ein ausländischer Trainer die Seleçao mit neuen Ideen wiederbeleben sollte, positionierte sich Rinaldi klar: „Wir müssen jemanden zu Hause suchen“, sagte er. Dass Dunga während seiner ersten Amtszeit ein angespanntes Verhältnis zur Presse entwickelte und in Zukunft schon bei geringen Verfehlungen hart kritisiert werden dürfte, interessiert Rinaldi kaum.

Die Kritik, die nach dem WM-Debakel laut wurde, prallte vom Verband scheinbar ab. Seit vielen Jahren gilt der CBF als der eigentliche Grund für den desolaten Zustand der Nationalmannschaft. Geldwäsche, Korruption, Vetternwirtschaft und intransparente Strukturen werden den allesamt in die Jahre gekommenen Entscheidungsträgern vorgehalten. Der langjährige Präsident Ricardo Teixeira, in Brasilien der Korruption angeklagt, hat sich längst nach Florida abgesetzt. Insider gehen davon aus, dass er von den USA aus aber immer noch die Geschicke des Verbandes lenkt. Während seiner offiziellen Amtszeit hatte er Dunga 2006 erstmalig die Nationalmannschaft anvertraut.

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