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Sport: Champagner zum Tor

Wie die Weltmeisterschaft in Kapstadt Eingang in die Welt der Weißen findet. Eine Reportage

Im Bay Side Café haben sie im ersten Stock einen großen Fernseher aufgebaut. Als Zuschauer haben sich im Kapstädter Vorort Camps Bay eingefunden: eine zehnköpfige Gruppe lärmender Weißer, sie sitzen direkt vorm Bildschirm und haben schon vor der Essensbestellung das zweite Bier auf dem Tisch. Außerdem fünf Schwarze, offensichtlich Angestellte des Hauses, denn sie trinken Wasser aus Coca-Cola-Flaschen und ziehen sich zurück zu den Kellnern in den linken hinteren Winkel der Lounge, wo der große Bildschirm kaum noch zu sehen ist.

Nirgendwo ist Südafrika so weiß wie in Kapstadt, und Kapstadt ist nirgendwo so weiß wie in Camps Bay, dem Vorort der Schönen und Reichen auf der südwestlichen Seite des Tafelbergs. Camps Bay, das ist nicht viel mehr als eine Palmenpromenade mit reichlich Cafés, Restaurants und Kneipen mit Sandstrand davor und majestätischen Bergen im Hintergrund.

Die Hymnen werden gespielt, hinten links wird leise mitgesungen, in der Mitte die nächste Runde bestellt. Wahrscheinlich ist die Lounge im ersten Stock des Bay Side Cafés in diesem Augenblick die einzige vuvuzelafreie Zone in ganz Südafrika. Kurz bevor es losgeht, kommen noch ein paar Mexikaner, und die Angestellten rücken noch ein bisschen enger zusammen. Im Spiel passiert nicht viel, was die lärmenden Biertrinker verpassen könnten. Die Mexikaner schießen ein Tor, was den Schwarzen erst den Atem stocken und sie kurz darauf jubeln lässt, denn der Schiedsrichter hat auf Abseits entschieden. Als Südafrikas Torwart einen schwierigen Ball hält, jubeln sie in der Mitte ebenso wie hinten links. Es ist der Augenblick, in dem die Nation auch im Bay Side Café von Camps Bay ein Stückchen weiter zusammenwächst.

Die erste Halbzeit klingt aus. Zeit für einen Ortswechsel ins Café Caprice, wo es weniger gediegen zugeht. Ein Filmsternchen lockt die Fotografen auf die Terrasse mit dem atemberaubenden Blick auf den Atlantik. Die Terrasse ist gut gefüllt mit jungen Frauen, die mit Campari und Zigaretten den Sonnenuntergang genießen und nicht recht verstehen, was ihre Begleiter finden an diesem seltsamen Partyvergnügen, bei dem es seit Neuestem angesagt ist, sich in gelb-grüne Trikots zu zwängen und „Bafana Bafana!“ zu brüllen.

Drinnen kämpft eine einsame Vuvuzela gegen den Lärm der Partygesellschaft, in der sich auch nach intensivster Suche kein schwarzes Gesicht ausfindig machen lässt. Es wird gelacht, geplaudert, zuweilen auch Fußball geschaut, vor allem aber getrunken. Bier, Wein, gern auch Champagner. Ein Bursche Anfang zwanzig lädt großzügig ein und erzählt, dass sein Vater die Kreditkarte an der Bar hinterlegt habe. Er sei im Übrigen in Besitz von Karten für sämtliche Spiele in Kapstadt, werde aber nur hingehen in dem unwahrscheinlichen Fall, dass sich nichts Besseres finde. Ein anderer antwortet auf die Frage, wie viele von den südafrikanischen Spielern er denn kenne: „Nur einen, den großen Weißen.“ Den Verteidiger Matthew Booth also, er verbringt das Spiel auf der Ersatzbank.

Die zweite Halbzeit beginnt mit wütenden Angriffen der Südafrikaner, sie schießen auch schnell ein schönes Tor. Genau darauf haben sie gewartet im Café Caprice. Endlich Party! Der Lärm hebt an und übertönt mühelos die einsame Vuvuzela. Ein später Gast wird eine halbe Stunde vor dem Schlusspfiff begrüßt mit der freudigen Nachricht: „Südafrika hat gewonnen!“ Als das Fernsehen noch einmal das Führungstor einspielt, sagt einer zu seinem Nachbarn: „Tolles Tor, sah genauso aus wie das erste!“ Zur Feier des Augenblicks ordern zwei Jungs zwei Flaschen Weißwein und zwei Gläser.

Als Mexiko ausgleicht, wird es ein bisschen ruhiger, aber auch nur ein bisschen. Die Party muss weitergehen, zur Not auch ohne Fußball. Ein paar Kilometer weiter wird am Abend im Green Point Stadium auch für Kapstadt die WM beginnen. Frankreich gegen Uruguay. Der Bursche mit dem vielen Gel im Haar und der vom Papa hinterlegten Kreditkarte sagt, für heute sei es genug mit Fußball, ob denn einer sein Ticket will, er fährt abends zu einer privaten Party in die Stadt.

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