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Sport: Chaos im Kindergarten

Die Mitglieder des HSV machen mobil

Von Karsten Doneck, dpa

Wolfgang Klein machte sich beizeiten auf den Heimweg. Der ehemalige Präsident des Hamburger SV war früh mit der Geduld am Ende. Organisierte Gruppen hatten im Congress Centrum Hamburg nach dreimaliger und zuletzt schriftlicher Abstimmung den Ausschluss der Presse von der Mitgliederversammlung des sportlich stark kriselnden Fußballbundesligisten erzwungen. Klein empörte sich über die aggressiven und einschüchternden Sprechchöre aus dem Auditorium wie „Presse raus!“. Er sprach von einem „Tiefpunkt in der Geschichte des HSV, absolut bundesliga-unreif“. Sein Fazit: „Ich dachte, so ein Kindergarten ist nur auf Schalke möglich.“

Diesmal war Hamburg sogar peinlicher als Schalke. Die sonst Sprachlosen beim HSV hatten mit dem Stimmzettel die Machtprobe gewagt. Die Vereinssatzung sieht vor, dass Mitgliederversammlungen nicht öffentlich sind. Insofern lief beim HSV alles ganz demokratisch ab. Die Mehrheit der 1589 anwesenden Mitglieder war halt krachsauer über die öffentliche Darstellung ihres Vereins in jüngster Zeit, speziell in Hamburgs Boulevardblättern. Nur gehört zur Demokratie auch die Duldung Andersdenkender. Bislang gab es beim HSV nie Probleme für Gäste und Presse, an den Versammlungen teilzunehmen. Auf das Votum diesmal reagierte Bernd Hoffmann dann auch entsetzt. „Dass der Verein in einer Krise steckt, wussten wir ja. Aber ich hätte gedacht, dass wir hier dokumentieren, dass wir kein Chaos-Klub sind.“ Der Vorstandsvorsitzende wurde bei diesen Worten ausgebuht. Auch HSV-Idol Uwe Seeler wertete den Rausschmiss der Medienvertreter gegenüber der Deutschen Presse-Agentur als „Imageverlust“ und sagte: „Wir haben doch nichts zu verbergen.“

Gegen Mitternacht wurde die laut Augenzeugen mal sachliche, mal tumultartige Veranstaltung abgebrochen, allerdings nur wegen der fortgeschrittenen Zeit. Der Vorstand sowie Udo Bandow, Chef des Aufsichtsrates, konnten nicht mehr entlastet werden, der Tagesordnungspunkt Wahlen blieb ebenfalls offen. Die Fortsetzung folgt, wahrscheinlich im Januar.

Der HSV hat sich seine Probleme selbst aufgehalst. Kein Heimspiel in der AOL- Arena vergeht, in dem der nicht zum Vorstand zählende Christian Reichert neue Bestmarken bei der Mitgliederwerbung kundtut. Aktuell hat der HSV über 40 000 Beitragszahler. Da ist es nicht schwer, dass sich Interessengruppen bilden, die dann auch mal nahezu geschlossen auf den Versammlungen auftreten und ihre Vorstellungen mit dem Stimmzettel durchdrücken. Diesmal begnügte sich diese Fraktion noch mit ein bisschen Muskelspielerei gegenüber den Medien. Das birgt Steigerungspotenzial, zumal einer der Stimmberechtigten zu später Stunde noch mit Bedauern feststellte: „Die größten Anfeindungen gab es ja gegen die Presse, nicht gegen den Vorstand.“ Auch einer Frau gefiel das Ganze nicht. „Hoffmann hat voll vorbeigeredet“, rügte sie die 20-minütigen Ausführungen des Klubchefs. Immerhin hatte Hoffmann erkannt: „Es gibt in dieser Saison nur noch ein sportliches Ziel: den Nichtabstieg.“ Düster prophezeite er: „Ohne Geschlossenheit wird der HSV absaufen.“

Auf Uwe Seeler als möglichen Schlichter kann der HSV indes nicht bauen. Der nimmt an den Mitgliederversammlungen nicht mehr teil. Seeler: „Ich bleibe lieber gesund, als mir so etwas anzutun.“

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