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Sport: Chaos in der Operettenliga

Ein Jahr vor der EM gibt der Fußball in Österreich mit den Pleiten der beiden Grazer Klubs ein jämmerliches Bild ab

Die EM-Uhr in der Wiener Innenstadt ist noch nicht einmal installiert. Erst ab dem 7. Juni wird sie die verbleibenden 365 Tage bis zum Anpfiff des größten Sportereignisses seit Jahrzehnten in Österreich runterzählen. Die Fans können es kaum noch erwarten. Der Vorverkauf für die Tickets war noch dramatischer als bei der WM im hassgeliebten Nachbarland Deutschland. Die Nachfrage war 40-mal größer als das Angebot. Mit der eigenen Fußballkunst hat die Vorfreude jedoch nicht so viel zu tun. Österreichs Fußball gibt ein Jahr vor der EM im eigenen Land und in der Schweiz ein jämmerliches Bild ab. Sportlich sind die Klubs und das Nationalteam in Europa nicht mal Mittelmaß, und nun droht zudem die Bundesliga im Chaos zu versinken. Der Grund ist eine Punkte-Posse um die beiden Grazer Erstligisten AK und Sturm.

Beide Teams haben nicht nur eine lange erfolgreiche Tradition und spalten vier Mal im Jahr die zweitgrößte österreichische Stadt zu etwa gleichen Teilen in „schwoaze“ Sturmfans und in „rodte“ GAK-Anhänger. Sie verbindet derzeit auch eine ähnliche finanzielle Misere.

Sturm Graz hat am 1. September 2006 Konkurs angemeldet. Schuldenstand: 1,2 Millionen Euro. Anfang Januar wurde einem Zwangsausgleich, der eine Restschuldbefreiung und eine Weiterführung des Unternehmens ermöglicht, zugestimmt. Der Verein konnte weiterleben. Am 2. März 2007 meldete dann auch der GAK Konkurs an. Der GAK erhofft sich nach dem Vorbild des Stadtrivalen seinen Weiterbestand zu sichern. Die Gesamtschulden betragen 15,2 Millionen Euro. Doch die Hoffnung auf ein finanzielles Überleben wird überschattet von einer Ligaentscheidung vom 27. März. Beiden Grazer Teams wurden wegen der Insolvenz zehn Punkte abgezogen, der GAK bekommt wegen Verstößen gegen Verpflichtungen aus dem Lizenzierungsverfahren weitere zwölf Punkte minus. Mit dieser Entscheidung stehen beide Teams praktisch als Absteiger fest.

Nur einen Tag später kündigt Ligakonkurrent Pasching an, aus Protest gegen die Situation aus der Liga auszusteigen. Und findet damit gleich einen möglichen Interessenten für die Bundesligalizenz. Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider bringt den FC Kärnten ins Spiel und drängt auf eine Fusion zum „FC Kärnten neu“. Haider will in der Kärntner EM-Stadt Klagenfurt einen Erstligisten haben. Der Vorschlag des Politikers ist ein neuer Ton in der Operettenliga. Schon einmal in den 80er und 90er Jahren wurde die Österreichische Bundesliga so verhöhnt. Damals galt der Spott aber dem sportlichen Wert der Liga, die allenfalls Altstars anzog, die dort in Rente gingen.

Der hausgemachte Ligaskandal weitet sich nur vier Tage nach der Entscheidung vom Grünen Tisch noch weiter aus. Der GAK bekommt per einstweiliger Verfügung alle 28 Punkte wieder zugesprochen. Darin enthalten sind auch sechs Punkte aus der „Causa Kimoni“. Hintergrund ist eine Klage des ehemaligen GAK-Spielers Daniel Kimoni wegen ausstehender Gehaltszahlungen. Der GAK hatte einem rechtskräftigen Urteil durch den Internationalen Sportgerichtshof sowie mehrfach erfolgten Zahlungsaufforderungen des Weltverbandes Fifa nicht Folge geleistet. Dem GAK waren daraufhin am 14. März sechs Punkte abgezogen worden, weil die Liga ein Urteil der Fifa-Disziplinarkommission umsetzte. Der GAK bringt eine neue Variante ins Spiel: die Aufstockung der Liga von zehn auf zwölf Vereine.

Das Chaos in der Operettenliga ist perfekt. Zumal die sportliche Spannung schon längst raus ist. Red Bull Salzburg feiert schon Wochen vor dem Saisonende uneinholbar den Meistertitel mit den Startrainern Giovanni Trapattoni und Lothar Matthäus. Es geht nur noch um den Abstieg. Einer der Absteiger heißt Sturm. Den schwarz-weißen Grazern werden 13 Punkte abgezogen, im Gegensatz zum GAK bekommen sie die auch nicht wieder zugesprochen. Deshalb drohen die anderen Klubs mit einer Prozessflut und die Fifa mit Sanktionen, sollte der Österreichische Fußballverband den Punktabzug aus dem Fall Kimoni nicht umsetzen. Und das könnte im Extremfall heißen: Die EM findet ohne Gastgeber Österreich statt. Die Debatte zwischen den Klubs wird immer hitziger.

Doch diesmal deeskaliert der AK selbst die Situation. Die Grazer lassen sich am 12. April vorsorglich selbst absteigen. Der Verein akzeptiert einen Abzug von 28 Punkten, wenn es zu einem Zwangsausgleich kommt. Ob das am kommenden Donnerstag zwischen dem Masseverwalter, den Gläubigervertretern und dem Konkursrichter gelingt, ist jedoch offen. Immerhin liegen Forderungen von 51 Millionen Euro gegen den Klub auf dem Tisch, der noch 2004 das Double in Österreich gewann und in der Champions League spielte. Diese Forderungen sind allerdings zum Teil nur Vorsorge der anderen Klubs. Es sind eventuelle Schadensersatzforderungen, wenn die Fifa Sanktionen gegen den Verband verhängt in der „Causa Kimoni“. Ob die Operette in Dur oder in Moll erklingt, bleibt also noch einige Tage offen.

Ingo Wolff[Graz]

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