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The Place

© ecopix

China verstehen: Shopping im Village

Wir erklären das Gastgeberland, Folge 5: Eine Gucci-Tasche kostet in Peking so viel, wie ein Chinese im Jahr verdient.

Abenddämmerung. Ein sanfter Mondscheinschimmer erleuchtet die Gesichter der Passanten, die über den Platz von Pekings brandneuer Shoppinglandschaft „The Village“ schlendern. Doch halt, das ist kein Mond – es ist ein riesiges Apple-Logo, das von der aluminiumgrauen Fassade des ersten chinesischen Apple-Stores strahlt. Darunter staksen gertenschlanke Hostessen über einen schwarzen Teppich: zur Feier des chinesischen Modelabels „White Collar“, das gerade seinen neuen Laden mit Blitzlichtgewitter, riesigen Silberkugeln und lokalen Stars eröffnet. „The Village“ ist der letzte Zuwachs unter Pekings zahlreichen Shoppingmalls.

Den Schaufensterbummel in klimatisierten Fluren haben die Pekinger erst vor fünf Jahren entdeckt, als die erste moderne Shoppingmall „Oriental Plaza“ ihre Türen in der Einkaufsstraße Wanfujing öffnete: Ein marmorglatter Koloss, den selbst eilige Fußgänger kaum in 10 Minuten durchqueren können. Fünf Jahre später ist die Fläche der neuen Einkaufstempel bereits auf rund 7,5 Millionen Quadratmeter angeschwollen. Egal wohin man mit dem Taxi fährt, überall prangen die neuen Konsumuniversen mit Namen wie „Joy City“, „Curio City“ und „Seasons Place“. Wer hofft, dort Fake-Produkte zum kleinen Preis zu finden, liegt falsch.

Stattdessen warten internationale Luxusmarken, riesige Foodcourts, schicke Kaffee-Lounges und edle Jazzbars auf zahlungskräftige Kunden. Die „Golden Resources Mall“ bespaßt ihre Gäste mit Windmühlen und einem Kinder-Themen-Park, die Mall „The Place“ toppt dagegen mit ihrem 7500 Quadratmeter großen „Skyscreen“ selbst Inszenierungsgigant Las Vegas: Der weltgrößte künstliche LED-Himmel zeigt abends eine Unterwasserlandschaft, nachts ein funkelndes Diamantenmeer (siehe Foto).

Weil die Durchschnittseinkommen der Pekinger jährlich steigen, ist unter Immobilienfirmen und internationalen Konzernen eine Goldgräberstimmung ausgebrochen: „Die Entwickler sind verrückt nach kommerziellen Flächen in Peking“, sagte Zhao Jia von Beijing Guohua Real Estate dem Onlineportal „Property Report“ noch im März dieses Jahres.

Doch nun berichtete „China Business News“, dass die Shoppingmall-Industrie eine Flaute durchlebe. So stehen sich im Luxustempel „Shin Kong Place“ die kostümierten Verkäuferinnen von Prada und Gucci oft vergeblich die Beine in den Bauch. Denn das Überangebot an Luxusmarken sprengt bislang die Geldbeutel der normalen Pekinger, die im letzten Jahr durchschnittlich 1760 Euro verdienten – soviel, wie eine bessere Gucci-Tasche kostet. Zudem sparen viele Chinesen angesichts der schlechten Sozialabsicherung Chinas fast die Hälfte ihres Einkommens für die Rente.

Auch das Management von „The Village“ verschob gleich mehrfach den Eröffnungstermin, weil es auf leeren Ladenflächen sitzen blieb. Die Jugendlichen im Apple-Store kümmert’s nicht. In Scharen streicheln sie mit den Händen begeistert über die Touchscreens ausgestellter Waren – bevor sie doch ein chinesisches Remake für einen weitaus günstigeren Preis kaufen.

Lu Yen Roloff

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