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© AFP

Sport: Chinesische Lehrmeister

Tischtennis-WM steht ganz im Zeichen der Asiaten

Eigentlich kaum zu glauben, aber auch unter den übermächtigen chinesischen Tischtennisspielern gibt es tragische Helden. Ma Lin ist auf jeden Fall einer. Manchmal steht er für Monate an der Spitze der Weltrangliste, er scheint unbesiegbar, nur wenn es dann zum absoluten Höhepunkt kommt, ist er plötzlich nicht mehr der Beste. In Zagreb, bei der Weltmeisterschaft, lag er im Finale gegen seinen Landsmann Wang Liqin mit 3:1-Sätzen und 7:1-Punkten vorn. Vier Punkte fehlten ihm noch zu seinem ersten WM-Titel im Einzel. Doch der 27-Jährige verlor wie schon vor zwei Jahren in Schanghai das Endspiel gegen Wang Liqin. Es ist seine dritte Finalniederlage im Einzel bei einer Weltmeisterschaft. Bei den Olympischen Spielen von Athen 2004 war er als großer Favorit schon im Viertelfinale ausgeschieden.

Richtig tragisch aber wurde es erst hinterher. Bei der Pressekonferenz telefonierte er auf einmal. Als er gefragt wurde, mit wem und warum, brach der sonst so unnahbare Ma Lin in Tränen aus. Sein Großvater habe sich gerade das Leben genommen, weil er an einer unheilbaren Krankheit litt, sagte Ma Lin, während Wang Liqin tröstend seinen Arm um ihn legte.

Wer unter den Chinesen glücklich und traurig ist, das haben die europäischen Spieler in Zagreb gar nicht mehr mitbekommen. Sie hatten sich schon vor dem Finaltag aus dem Wettbewerb verabschiedet. Wie schon 2001 in Osaka gewannen die Asiaten alle Medaillen in den Einzel- und Doppelwettbewerben. Eine Medaille im Einzel hatte sich auch Timo Boll vorgenommen, es wäre die erste für einen Deutschen seit Eberhard Schölers Silber 1969 gewesen. Doch im Viertelfinale schied der Hesse gegen Olympiasieger Ryu Seung Min aus Südkorea aus.

Mit einer Medaille hatte sich Boll empfehlen wollen für die Olympischen Spiele in Peking. Aber gegen Ryu Seung Min unterliefen ihm zu viele leichte Fehler. „Timo ist als erster Deutscher seit langem wieder in ein WM-Viertelfinale eingezogen“, sagte Männer-Bundestrainer Richard Prause, „aber er ist hier unter seinen Möglichkeiten geblieben“. Noch vor zwei Monaten hatte er bei den Europameisterschaften in Belgrad drei Goldmedaillen gewonnen, darunter die im Einzel. Auch die Vorbereitung mit europäischen Spitzenspielern verlief gut, aber „die Asiaten waren in den entscheidenden Momenten besser als wir“, sagte Dirk Schimmelpfennig, Sportdirektor des Deutschen Tischtennis-Bundes. Die entscheidenden Momente – darauf sollen die deutschen Spieler nun noch besser vorbereitet werden. Nach Zagreb wurde die deutsche Delegation von einem Psychologen begleitet.

Bundestrainer Prause reagierte später genervt auf Fragen nach dem ausgefallenen Duell zwischen Boll und den Chinesen. „Es gibt auch andere Nationen, in denen Tischtennis gespielt wird“, sagte er und verdrehte die Augen. Aber dennoch bleibt Boll einer der wenigen Europäer, die den Chinesen auf dem Weg zum totalen Triumph gefährlich werden können. Das weiß selbst die Wirtschaft: Seit neuestem tragen die deutschen Spieler einen Aufnäher der Metro-Gruppe auf ihrem Nationaltrikot – auch in chinesischer Schrift.

Um nicht noch einmal so bedeutungslos aufzutreten wie in Zagreb, wollen die Europäer sich nun zusammentun. Das deutsche Leistungszentrum in Düsseldorf könnte der Mittelpunkt der europäischen Bemühungen werden, in Peking wieder erfolgreich zu sein. Dahin möchten die Deutschen regelmäßig die besten Europäer einladen. Zudem bereiten sich die deutschen Männer gemeinsam mit den Japanern auf Olympia vor und die Frauen mit den Spielerinnen aus Singapur. Vieles davon ist jedoch erst ein Plan.

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