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Sport: Chronische Langsamkeit

Was bei BMW-Sauber in der Formel 1 schief läuft

Mario Theissens Telefon klingelt. Nach dem kurzen Telefonat möchte jemand wissen, ob Jacques Villeneuve in der Leitung war, der BMW-Pilot, der auf mysteriöse Weise dem Formel-1-Rennen in Ungarn ferngeblieben ist. „Nein“, sagt Theissen und lächelt, „es war seine Mutter.“ Der gelernte Ingenieur an der Spitze des BMW-Sauber-Rennstalls muss häufig als Beleg für den Einzug der Biederkeit in die Formel 1 herhalten, aber diese Klassifizierung ist nicht hundertprozentig gerechtfertigt. Sogar inmitten der ersten echten Krise der noch jungen Geschichte seines Teams ist ihm der Humor offenbar noch nicht abhandengekommen.

Angesichts des „rundum enttäuschenden Wochenendes“, wie er sagt, beim vergangenen Rennen in Hockenheim, das nach einer Kollision zwischen den BMW-Piloten Villeneuve und Nick Heidfeld mit einem Totalausfall endete, müssten Theissens Mundwinkel eigentlich eher nach unten zeigen – in die gleiche Richtung, in die der Trend seiner Autos führt.

Zwar strebt der Rennstall in seinem ersten von zwei ausgerufenen Aufbaujahren als Sechster in der Teamwertung eine Punktlandung auf der Minimalvorgabe an, und Theissen zeigt sich mit dem Saisonverlauf durchaus zufrieden. Nach einem guten Saisonstart hat die Verbindung des Münchner Autobauers mit dem Schweizer Rennstall das Ziel, in der zweiten Saisonhälfte zu den Topteams aufzuschließen, jedoch ein wenig aus den Augen verloren. Schleichend hat sich chronische Langsamkeit über die weißen BMW-Autos gelegt; die vergangenen drei Rennen brachten nur einen WM-Punkt, aber dafür vier Ausfälle und noch mehr Probleme. Diese zyklische Schwächeperiode gehört zur Lernphase eines jeden Formel-1-Neulings, aber BMW hätte wohl gerne auf diese Erfahrung verzichtet, die den Rennstall vorerst Rang fünf in der Konstrukteurs-WM gekostet hat. „Wenn wir den wieder holen wollen, müssen wir uns sehr lang machen“, sagt Theissen.

Schwierig wird das schon allein deshalb, weil sich die Michelin-Reifen von BMW-Sauber momentan eher als Hindernis denn als Hilfe erweisen. Der neue WM-Fünfte Toyota hat bei seinem wundersamen Aufschwung stark von seinen Bridgestone-Reifen profitiert. Theissen sagt: „Wenn du nicht die richtigen Reifen hast, hast du manchmal schon verloren.“ Hinzu kommt, dass ein nicht unerheblicher Teil der Entwicklungsarbeit bei BMW-Sauber in eine Sackgasse mündete. Von zwei senkrecht von der Nase der Autos abstehenden Flügeln hatte sich der Teamchef eine Menge versprochen. Diese wenig ansehnlichen, aber mutmaßlich effektiven Twin Towers waren auch zunächst vom Automobil-Weltverband genehmigt worden – nach einem Rennen aber wurden sie mit der Begründung der beeinträchtigten Sicht für die Piloten verboten. „Das hat uns zurückgeworfen“, sagt Mario Theissen. „Jetzt müssen wir nach neuen Entwicklungsmöglichkeiten suchen.“

Die derzeitige Fahrersituation erschwert dieses Vorhaben zusätzlich. Am Freitag konnte sich BMW-Sauber in Ermangelung eines Testfahrers nicht einmal angemessen auf das Rennen auf dem Hungaroring vorbereiten. Weil Jacques Villeneuve über Kopfschmerzen klagt, die vermutlich eher auf eine Meinungsverschiedenheit mit seinem Arbeitgeber denn auf seinen Unfall in Hockenheim zurückzuführen sind, wurde der junge Pole Robert Kubica vom Test- zum Rennfahrer befördert. Sebastian Vettel, der potenzielle Nachrücker für Kubica, ist verletzt – also blieben die BMWs am Freitag die meiste Zeit ungefahren in der Garage.

Dennoch sind die Menschen hinter dem Lenkrad bei Weitem nicht Mario Theissens größte Sorge. „Ich muss ehrlich sagen, dass wir den Fahrern keine Vorwürfe machen können“, sagt er. „Sie machen einen guten Job.“ Das Problem sitzt tiefer, es ist deprimierender – es ist das schlimmste, das ein Formel-1-Team ereilen kann: „Wir sind einfach nicht schnell genug.“

Christian Hönicke[Budapest]

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