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Jubel für Tahiti. Nach einem Eckball von Vahirua stieg Jonathan Tehau (Bild) vom Verein Tamarii Faàa höher als seine Gegenspieler und köpfte aus spitzem Winkel zum euphorisch bejubelten 1:3 ein. Es war ein historischer Moment.

© Reuters

Update

Confed-Cup: Tahiti feiert ungewöhnlichen Triumph

So eine Geschichte gibt es nur im Fußball. Die bescheidenen Männer aus Tahiti spielen im Land des Rekordweltmeisters das Turnier ihres Lebens und belohnen sich mit dem Undenkbaren: einem Tor.

Jonathan Tehau hätte den Schlüssel seines Lieferwagens am liebsten noch in den Katakomben des Mineirao-Stadions für immer abgegeben. Profi wolle er nun werden, berichtete der schmächtige Mann mit den dunklen Locken, und ein schüchternes Lächeln huschte über sein Gesicht. Mit seinem Tor für Tahiti hatte der 25-Jährige für einen magischen Moment beim Confederations Cup in Brasilien gesorgt.

Denn der historische Treffer des Außenseiters beim 1:6 gegen Nigeria hob für einen Augenblick die Logik des Fußballs auf. Tehaus Kopfball zum 1:3 in der 54. Minute machte die Verlierer zu Gewinnern. „Es ist für uns wie ein Sieg“, sagte Marama Vahirua, der als Einziger beim Ozeanienmeister sein Geld mit Fußballspielen verdient. Tehau fährt in Papeete Lieferwagen.

Die märchenhafte Geschichte der Tankwarte und Strandverkäufer aus Polynesien, die ihre Kontinentalmeisterschaft sensationell gewinnen und zur Belohnung zum WM-Testlauf ins Land des Rekordweltmeisters fliegen dürfen, fand in Belo Horizonte ihre Fortsetzung. Daran änderte auch die klare Niederlage gegen den durch Prämienstreit und späte Anreise müden Afrikameister nichts.

„Ich war heute sehr stolz auf das Verhalten meiner Spieler“, sagte Trainer Eddy Etaeta, der selbst nie hochklassig Fußball spielte, für seine Akteure ein Ersatzvater ist und folgerichtig Dad genannt wird. In Tahiti wurde erstmals von großen Teilen der Bevölkerung ein Fußballspiel geschaut, berichtete Etaeta. Sogar eine Kabinettssitzung sei unterbrochen worden, hieß es. Bei Facebook wurden nicht nur zahlreiche Glückwünsche, sondern auch ein Video von Tehaus jubelnder Familie gepostet.

Bootsrennen im Meer sind eigentlich der Nationalsport im Südpazifik. Eine Hommage daran war der Team-Torjubel: ein kollektiver Paddelschlag. Für 90 Minuten wurde der Fußball in der riesigen Betonschüssel von Belo Horizonte, in der in einem Jahr ein WM-Finalist ermittelt wird, auf das Wesentliche reduziert, unabhängig jedes Kalküls um Geld und Titel. Tahiti spielte, weil es stolz und glücklich macht, spielen zu dürfen. Das spürten die Fans und feierten am Montag die Amateure vom anderen Ende der Welt, als seien es ihre schon lange bewunderten Idole. „Ich war überrascht und glücklich über die Unterstützung“, sagte Etaeta.

Sogar die eigentlichen Sieger zeigten Verständnis für die paradoxe Situation, dass Tahiti trotz der dritthöchsten Niederlage in der Geschichte des Confed Cups gefeiert wurde. „Wir hätten auch zu ihnen gehalten, wenn wir nicht gegen sie gespielt hätten“, sagte Nigerias Torwart Vincent Enyeama.

Und die Tahiti-Traumreise geht weiter. Maracana heißt die nächste Station, als gäbe es keinen angemesseneren Ort. Und keinen angemesseneren Gegner: Weltmeister Spanien. „Barcelona“, entwischte es Tehau ganz leise, als er nach seinem Lieblingsclub gefragt wurde. Da wolle er einmal spielen? „Nein!“ Andres Iniesta, Xavi und Co. werde er sich nicht einmal anzusprechen trauen.

Diese Ehrfurcht hatte Etaeta eigentlich versucht, seinen Spielern auszutreiben, nachdem es im Test gegen Chiles U 20 ein 0:7 gab und zweistellige Rekordpleiten beim Confed Cup unausweichlich schienen. Gegen Nigeria gelang der Crash-Kurs in Sachen Selbstvertrauen. Auch dank Vahirua. „'Hört hin. Wir haben schon gewonnen'“, habe er seinen Mitspielern nach der Nationalhymne gesagt, als die Menschen in der Arena immer wieder und immer lauter skandierten: „Ta-hi-ti!“ (dpa)

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