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Sport: Das Comeback des Phantoms

Zwei Jahre lang hat Tiger Woods der Konkurrenz mit schwachen Leistungen Mut gemacht – doch beim US Masters in Augusta spielte er wieder so gut wie zu seinen besten Zeiten

Die Attacke kam schnell und in dieser Wucht unerwartet. Dann war die Welt des Golfsports zurechtgerückt, wieder zur Plattform des Tiger Woods geworden. Um 8 Uhr 33 am Sonntagmorgen, am elften Loch angekommen, hatte der 29-Jährige im Verlauf der dritten Runde einen Rückstand von sechs Schlägen auf den Führenden Chris DiMarco gutgemacht. Plötzlich lag dieses Knistern in der Luft, für das die Profis ein Gespür entwickeln, weil sie nach einem Blick auf die Anzeigetafeln wissen, dass irgendeiner da draußen die Verhältnisse verdreht. Sieben Birdies in Folge sind es am Ende während dieser dritten Runde geworden. Am Ende gewann Tiger Woods das US Masters in Augusta/Georgia im Stechen gegen DiMarco. Es war sein vierter Masterssieg nach 1997, 2001 und 2002.

Wo, wenn nicht hier, hätte Woods die Wende seines Spiels einläuten können. In Augusta hat man Woods in den verschiedensten Lebensphasen als Sieger erlebt. Zuerst 1995 als Amateur, mit der viel zu großen Stanford-Kappe auf dem Kopf. Locker und fröhlich war er damals, verkündete lachend, all der Rummel „ginge ihm auf die Nerven“. Er landete auf Platz vier und war von Beginn an der Mittelpunkt des Geschehens. 1997 war er mit 21 Jahren der jüngste Sieger aller Zeiten, und das mit zwölf Schlägen Vorsprung. Aus dem fröhlichen Jungen war ein anmaßend wirkender Dandy geworden, der für sein arrogantes Auftreten viel Kritik erntete. 2001 kam Woods als Sieger nach Augusta zurück. Kontrolliertes Spiel an jeder Stelle, er versteckte sich hinter einem Heer von Angestellten aus dem „Team Tiger“. Ein Jahr später, bei seinem dritten Triumph in Augusta, war er fast schon zum Phantom geworden. Der unheimliche Superstar, der wie aus dem Nichts auftauchte, nach den Runden durch Hinterausgänge verschwand.

Die sportlich missratenen Jahre 2003 und 2004 haben dem Selbstbewusstsein der Konkurrenz gut getan. Der Überspieler Woods war auf normale Maße geschrumpft. Vijay Singh, Phil Mickelson, Ernie Els wurden zu gleichwertigen Kontrahenten. Am vergangenen Wochenende aber spielte keiner von ihnen in Augusta eine Rolle. Stattdessen war da lange Zeit der Woods der alten Tage: riesenhafte Drives, Schwünge, die in ihrer Schnelligkeit und Dynamik jeden anderen aus den Schuhen heben würden. Dazu aber Kontrolle, keine wilden Schleifen mehr, die falsche Bewegungen ausgleichen mussten. Der Mann, der sich und sein Spiel fast immer unter Kontrolle hatte und erst ganz zum Schluss mit zwei Bogeys an den Löchern 17 und 18 einen Aussetzer hatte. DiMarco nutzte die Chance und zwang Woods zum Stechen, doch schon am ersten Loch war sein Traum vom ersten Major-Sieg zu Ende.

Da endlich verlor Woods einmal die Kontrolle, ließ ein paar Minuten lang ein wirkliches Lachen sehen. „Ich bin so froh, dass ich das geschafft habe. Der Sieg ist für dich Pa“, sprach er in die Kamera, weil der krebskranke Earl Woods den Triumph nur am Fernseher verfolgen konnte. Woods ist wieder die Nummer eins der Weltrangliste, hat mit Arnold Palmer in Sachen Masterssiege gleichgezogen. Was nun, fragt sich die Konkurrenz. Beginnt das Spiel der Übermacht wieder von vorne?

„Sagenhaft“, hat Bernhard Langer die Leistung seines jungen Kollegen kommentiert. Der Deutsche steht mit seinen 47 Jahren nur noch bedingt in Konkurrenz zuTiger Woods: „Ich will meine Tourkarte behalten, damit ich hier noch ein, zwei Jahre mithacken kann.“ Längst ist Langer, selbst zweifacher Masterssieger, zu Selbstironie fähig. Würden seine deutschen Kollegen so „hacken“ wie er, wäre es um den deutschen Golfsport ein wenig besser bestellt. Langer nämlich arbeitete sich in seiner beharrlichen Art wieder einmal vor auf den guten 20. Rang und ließ sogar den Südafrikaner Ernie Els hinter sich. Ein Turnier will er endlich mal wieder gewinnen, zurück unter die Top 50 der Weltrangliste, weil er sich dann Qualifikationsturniere für die großen Veranstaltungen erspart. „So ist das eben, wenn man älter wird“, sagte Langer. „Früher war ich auch automatisch immer dabei.“

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