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Sport: Das Gegenteil von selbstbewusst

In Dortmund hat die Niederlage gegen Schalke Spuren hinterlassen – vor allem psychische

Ungemütlich war es in Dortmund am Sonntagabend, wie das eben ist, wenn der Winter sich ankündigt und sich der Nebel auf die Stadt niedersenkt. Es gibt schönere Zeiten im Jahr, vor allem für die heimische Borussia, der zurzeit nicht nur das triste Dezembergrau aufs Gemüt schlägt: Die gefühlten Temperaturen lagen nach der 0:1 (0:1)-Niederlage gegen Schalke 04 weit unter dem Gefrierpunkt.

Einen „eiskalten Winter“ hat BVB-Präsident Reinhard Rauball seinem Klub prophezeit, und wer sich nach dem Revierderby im Westfalenstadion umschaute, bekam eine konkrete Vorstellung davon, was er damit gemeint haben könnte. Seit 14 Pflichtspielen warten die Borussen nun bereits auf einen Sieg über den Rivalen – eine Ewigkeit. Im Gelsenkirchen erzählen sie sich mittlerweile feixend, dass in diesem Jahr Kinder eingeschult wurden, die in ihrem Leben noch keinen Dortmunder Sieg über Schalke erlebt hätten.

Bei der 124. Auflage des Derbys wurde der Machtwechsel auf eine Art dokumentiert, die eindrucksvoller nicht hätte sein können: Schalke präsentierte sich souverän, mit hoher spielerischer und taktischer Reife – so wie Dortmund noch vor kurzer Zeit. Doch inzwischen ist jegliches Selbstvertrauen beim Meister des Jahres 2002 verschwunden. Die Stimmung im Westfalenstadion weist inzwischen erste Anzeichen einer Depression auf. Die Borussia findet sich derzeit auf Rang 14 wieder, nur drei Punkte trennen sie von einem Abstiegsplatz. Spätestens jetzt dürfte auch dem Letzten klar sein, dass der Überlebenskampf begonnen hat. Ein Abstieg wäre für den mit 119 Millionen Euro verschuldeten Verein mit dem Begriff absolute Katastrophe nur unzureichend beschrieben.

Das Spiel gegen Schalke war nicht nur ein Spiegelbild des neuen Kräfteverhältnisses im Ruhrgebiet, sondern auch der beschränkten Leistungsfähigkeit der Borussia. Den blitzschnell in die Spitze getragenen Angriffen der Schalker hatten die Dortmunder nichts außer purem Kampf entgegenzusetzen. Es war nicht nur die Niederlage, „die extrem schmerzt“, wie BVB-Torhüter Roman Weidenfeller hernach einräumte. Es war vor allem der unübersehbare Klassenunterschied.

Der Vergleich der Spielmacher belegt dies wohl am besten. Während Tomas Rosicky auf Dortmunder Seite den Platz mit riesigem Aufwand rennend und grätschend umpflügte, dabei in seinen Aktionen jedoch minimale Wirkung erzielte, war Schalkes Lincoln mit weit weniger Aufwand wesentlich effektiver. Die Erkenntnis, dass Stars wie Rosicky, Ewerthon, Koller oder Dede momentan nur ein Minimum ihres Könnens präsentieren, ruft im immer noch anspruchsvollen Dortmunder Umfeld schwere seelische Schmerzen hervor. „Solche Spiele hinterlassen Spuren“, sagte Borussias Manager Michael Meier. „Man hat gesehen, dass die Schalker selbstbewusst sind – und wir das Gegenteil.“

Ein gutes Zeugnis für Bert van Marwijk ist das nicht. Schließlich trägt er als Trainer die Verantwortung für den moralischen Zustand seiner Mannschaft. Eine Trainerdiskussion wollen sie in Dortmund zu diesem Zeitpunkt dennoch nicht führen: „Van Marwijk wird in Ruhe weiter arbeiten können“, versichert Rauball.

Diese Ruhe könnte schnell zu einem Ende gelangen, wenn die Dortmunder ihr letztes Spiel vor der Winterpause nicht gewinnen. Das führt sie ins Rostocker Ostseestadion, wo in dieser Saison bislang noch jeder Gast gewonnen hat. Formal ist das also eine leichte Aufgabe. Aber genau deswegen ist sie auch so schwierig für die demoralisierten Dortmunder: Wer sich in Rostock besiegen lässt, macht sich garantiert zum Gespött der Liga. Zudem haben die Dortmunder in den vergangenen beiden Jahren immer dann geschwächelt, wenn es galt, die Nerven zu bewahren. Und deshalb ahnt Weidenfeller auch, „wie schwierig das wird. Von uns erwartet doch jeder drei Punkte.“

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