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Leere Hände. Lieberknechts Braunschweiger sind abgeschlagen Letzter. Foto: dpa

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Sport: Das große Grübeln

Braunschweig ist ratlos, der Trainer amtsmüde.

Braunschweig - Am Morgen nach der erneuten Niederlage blieb Torsten Lieberknecht in der Kabine. Die Profis von Eintracht Braunschweig liefen am Montag ohne ihren Cheftrainer aus, während im Hintergrund an der Schadensbegrenzung gearbeitet wurde. Mit seinem ratlosen Auftreten und dem verkappten Rücktrittsangebot hatte Lieberknecht am Vorabend nach der 0:4-Pleite gegen den VfB Stuttgart für reichlich Verwirrung und Aufregung beim Fußball-Bundesligisten gesorgt. Manager Arnold musste nach einem Gespräch mit dem Coach die Sichtweise des Klubs darlegen und versuchte, die Wogen wieder ein wenig zu glätten. „Die Rücktrittsgedanken sind sehr weit hergeholt“, beteuerte Arnold kurz vor Mittag: „Nach meinem Verständnis hat er das nicht angedeutet.“

Der Frust nach der neuerlichen Schlappe war auf jeden Fall auch nach einer Nacht längst noch nicht verflogen, weder bei Arnold noch bei Lieberknecht. „Klar ist das nicht weggewischt“, gab der Manager zu: „Da steckt noch was in den Klamotten.“ Noch nie stand ein Verein in der Bundesliga nach sieben Spieltagen derart schlecht da wie die Eintracht. Ein Punkt und 3:18 Tore sind ein historischer Negativwert – entsprechend war die Stimmung beim Aufsteiger. So mut- und fassungslos wie kurz nach dem trostlosen Stuttgart-Spiel hat der emotionale Trainer seit seinem Dienstbeginn 2008 noch nie gewirkt. Lieberknecht kämpfte mit den Tränen, als er auf die Frage nach einem möglichen Rücktritt antwortete: „Es ist normal, wenn viele andere auch ins Grübeln kommen.“

Die Vermutung, dass Lieberknecht sich freiwillig zurückziehen könnte, war nach seinen Aussagen während der Pressekonferenz naheliegend. „Ich bin keiner, der weglaufen möchte, aber trotzdem komme ich ins Grübeln, weil momentan Dinge, die man vorbereitet, und Lösungen, die man findet, nicht fruchten.“ Deshalb sei es „normal, dass vielleicht auch Verantwortliche und Fans ins Grübeln kommen“. Auch auf Nachfrage gab der Coach keine eindeutigen Antworten: „So war das nicht gemeint. Aber wenn Sie das so interpretieren wollen.“ Die Interpretation des Vereins lieferte der Manager. „Es ist verständlich, dass er ins Grübeln gerät. Das ist menschlich.“ Zugleich stärkte Arnold seinem Trainer den Rücken und betonte: „Es gibt nichts, was ich ihm vorwerfen kann.“ Zudem bezeichnete er Meldungen, nach denen sich Lieberknecht nach der erneuten Niederlage von der Mannschaft verabschiedet habe, als „Fehlinterpretation.“

Wie lange die am Montag notdürftig wieder hergestellte Ruhe in Braunschweig anhält, ist allerdings offen. Denn Besserung auf dem Spielfeld ist nicht in Sicht, im Niedersachsen-Derby beim VfL Wolfsburg droht am kommenden Samstag die nächste Pleite. Die kaum verstärkte Aufstiegs-Mannschaft hat bisher die Skeptiker nicht widerlegen können, die ihr die Erstligatauglichkeit von Beginn an abgesprochen haben. Umso überraschender ist es, dass Arnold auch nach der sechsten Niederlage sagte: „Es ist nicht viel, was uns fehlt.“ Zumindest von den Fans muss Lieberknecht keine „Trainer raus“-Rufe befürchten. Die Anhänger verblüfften auch während der über weite Strecken erschreckenden Vorstellung ihres Teams mit guter Stimmung und sangen unverdrossen vom „Europapokal“ sowie den Fußball-Klassiker: „You’ll never walk alone.“ dpa

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