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Sport: Das große Rechnen

Nie war der Abstiegskampf in der Bundesliga so spannend – zwei Drittel der Mannschaften zittern noch

Berlin - Am fünften Spieltag vor dem Ende ist in die vollends verwirrte und verwirrende Fußball-Bundesliga nun doch ein Hauch von Klarheit eingezogen. Von den zwölf bedrohten Mannschaften hat sich die erste wohl endgültig aus dem Abstiegskampf befreit: Mit einer 0:1-Niederlage in Hannover hat Borussia Mönchengladbach den letzten Tabellenplatz gefestigt, acht Punkte liegt der Klub nun schon hinter Platz 15. Trainer Jos Luhukay sagte anschließend, was man in einer solchen Situation sagen muss: „Solange rechnerisch noch nicht alles klar ist …“

Die Bundesliga ist für die Mannschaften ab Platz sieben im Moment nichts anderes als ein großer Mathe-Leistungskurs: Wer muss gegen wen gewinnen, damit wer doch noch in der Liga bleibt? Aber diese Gleichung hat zu viele Unbekannte, als dass sie irgendeinen Anspruch auf Seriosität erheben könnte. „Man sollte sich nicht auf andere verlassen“, sagt Thomas Doll, der Trainer von Borussia Dortmund. In dieser Saison hat sich gezeigt, dass verlässliche Vorhersagen nahezu ausgeschlossen sind. Das gilt auch für die Prognose, wie viele Punkte am Ende für den Verbleib in der Bundesliga nötig sein werden. Womöglich werden es so viele sein wie noch nie, seitdem es drei Punkte für einen Sieg gibt (siehe Kasten).

Es passt zu den mathematischen Rätseln dieser Spielzeit, dass Hertha BSC am Wochenende 0:1 gegen Borussia Dortmund verlor, trotzdem in der Tabelle einen Platz nach oben rutschte und ebenso trotzdem stärker gefährdet ist als zuvor. Mit den Berlinern auf Platz sieben beginnt die Abstiegszone. Fünf Punkte beträgt ihr Abstand auf Platz 16; andererseits könnte sich der Siebte über den UI-Cup noch für den Europapokal qualifizieren.

Solche Überlegungen tragen den Keim des Untergangs bereits in sich. Vor dem Spiel gegen die Dortmunder geisterte der Europapokal schon wieder durch die Gedanken der Berliner, genauso war es in Hamburg, wo sich die Spieler des HSV angesichts des leichten Heimspiels gegen Mainz 05 bereits höheren Dingen widmeten. „Wir haben noch vier Endspiele“, sagte Hamburgs Trainer Huub Stevens nach dem glücklichen 2:2 gegen den Tabellenvorletzten Mainz. „Das sage ich allen, die jetzt noch träumen.“

In der Bundesliga des Jahrgangs 06/07 geht es schnell nach oben – aber fast noch schneller auch wieder nach unten. Nach dem 26. Spieltag war Alemannia Aachen Neunter, hatte sechs Punkte Vorsprung vor dem VfL Bochum auf dem ersten Abstiegsplatz. Vier Spieltage später haben die Aachener viermal verloren, sie liegen jetzt selbst auf Platz 16 und haben drei Punkte Rückstand auf die Bochumer, die sich auf Platz elf vorgearbeitet haben. Der FSV Mainz 05, im Winter hoffnungslos abgeschlagen, schien als beste Rückrundenmannschaft der Liga schon so gut wie gesichert und ist – nach nur einem Punkt aus den vergangenen fünf Spielen – nun wieder auf dem vorletzten Tabellenplatz gelandet. „Es gab einige Mannschaften, die mitgejubelt haben, als der HSV den Ausgleich geschossen hat“, sagte Jürgen Klopp, der Mainzer Trainer, nach dem späten Tor der Hamburger zum 2:2.

Anders als für die Gladbacher aber ist die Situation für niemanden aussichtslos. Nur einen Punkt liegt Mainz hinter Bielefeld auf Platz 15, die Aachener stehen nur wegen der schlechteren Tordifferenz auf einem Abstiegsrang. In der Bundesligageschichte haben sich Vereine schon aus sehr viel prekäreren Situationen befreit. Legendär ist das Saisonfinale 1999, als Frankfurt und Nürnberg die gleiche Punktzahl hatten, die gleiche Tordifferenz, die Eintracht allerdings vier Tore mehr erzielt hatte als die Nürnberger. Nach dem 30. Spieltag lag Frankfurt noch sechs Punkte hinter Platz 15, sogar sieben hinter den Nürnbergern.

„Wir dürfen uns nicht zu früh auf die Schultern klopfen“, sagte Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer von Borussia Dortmund, nach dem Sieg in Berlin. Der Spielplan nämlich scheint den Dortmundern schnelle Rettung zu verheißen. Am Wochenende spielen sie zu Hause gegen Eintracht Frankfurt, danach in Wolfsburg gegen einen weiteren Konkurrenten im Abstiegskampf. Aber wer weiß schon, ob das wirklich ein Vorteil ist?

Das schwierigste Restprogramm haben – zumindest in der Theorie – die Bielefelder, die als einziger Klub noch gegen die beiden ersten Meisterschaftsanwärter Schalke und Bremen antreten müssen. Bochum und Mainz treffen noch auf Stuttgart und die Bayern, genauso die bereits abgeschlagenen Gladbacher. Die Borussen haben den Vorteil, dass sie als einziger der 18 Bundesligisten von ihren vier ausstehenden Spielen noch drei im eigenen Stadion bestreiten dürfen. Aber selbst das wird ihnen wohl nicht mehr helfen. Auch rechnerisch nicht.

Vopn Stefan Hermanns

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