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Sport: Das Jojo-Spiel

Von Frank Bachner Kienbaum. Schokoladen-Eis, was auch sonst?

Von Frank Bachner

Kienbaum. Schokoladen-Eis, was auch sonst? Die Küchenhilfe im Speiseraum der Sportschule Kienbaum reicht Schokoladeneis über den Tisch, und Lutz Liwowski brummt: „Schon wieder. Hier gibt’s ja immer das gleiche Eis.“ Liwowski ist oft in Kienbaum. Andererseits wäre Liwowksi durchaus froh, wenn seine anderen Probleme ähnlich bedeutsam wären wie zu viel Schokoladeneis. Denn Lutz Liwowski, Kanu-Weltmeister von 1998 und 1999 im Einer, WM-Dritter von 2001, einer der weltbesten Kanuten, steckt in der Krise. Es ist keine normale Krise. Es ist eine Krise, „die ich in 25 Trainerjahren noch nie erlebt habe“, sagt Joachim Mattern, der Männer-Bundestrainer.

Mattern hat nichts, wo er ansetzen und korrigieren könnte. Er sieht keine Fehler, er sieht nur kuriose Ergebnisse, die keiner erklären kann. Das ist das Besondere dieser Krise. Und nächste Woche findet die EM statt, in Szeged, Ungarn. Und Ende August die WM in Sevilla.

Der Diplom-Ingenieur Liwowksi trainiert wie immer, er isst wie immer, er arbeitet wie immer, er paddelt technisch wie immer, er hat ja genug Erfahrung, er ist jetzt 34. Nur die Ergebnisse in dieser Saison, die folgen keinen Gesetzen. Oder höchstens der Chaostheorie. Er startete vor ein paar Wochen bei einer Regatta in Dänemark. Liwowski glaubte an einen Fehlstart, startete deshalb mit einer Länge Rückstand, aber am Ende gewann er mit einer Länge Vorsprung. Ein paar Tage später startete er in Duisburg, und nach 200 m fluchte Liwowski. Er war Letzter, und er hoffte in dieser Minute, „dass noch einer aufgeben muss. Damit ich nicht Letzter werde“. Einer gab tatsächlich auf, Lutz Liwowski von der KG Essen wurde nur Vorletzter, aber nach dem Rennen tauchte er ab.

Wenn er paddelt, ist das wie Jojo spielen. Mal oben, mal unten, und alle sind ratlos. Gibt es eine Erklärung? „Nein“, sagt Liwowski und löffelt sein Eis, „es gibt keine.“ Er hatte Probleme mit der Nasenschleimhaut. Also ließ er sich operieren. Er hatte einen geringen Magnesium-Haushalt. Das hat er behoben. Aber eigentlich, sagt Liwowski, sind das nicht die Ursachen. Sonst wäre er jetzt ja gut. Aber vor Tagen musste er einen Leistungstest abbrechen. Und am Ufer stand Mattern, der Bundestrainer, und seufzte.

Denn Liwowski wird zum Problem. Die Kanuten Jan Schäfer und Peter Hörnig wurden vom Verband aus dem WM-Kader gestrichen. Sie waren zu schlecht. Der schwache Liwowski dagegen erhält noch eine Chance. Er muss bei der EM Fünfter werden, mindestens, sonst fliegt er auch aus dem WM-Team.

Seltsamerweise lacht Liwowski viel in Kienbaum. „Soll ich depressiv werden“, sagt er. „Für mich konnte doch schon immer das nächste Rennen das letzte sein.“ Er fährt nur Einer, er kann nicht in ein Mannschaftsboot umsteigen. Deshalb steht er stets vor dem Rauswurf. Nicht wirklich natürlich, er war immer viel zu gut, um sich ernsthaft Sorgen machen zu müssen. Aber jetzt wird es wirklich ernst. Josef Capousek, der Chef-Bundestrainer, hat ein schlechtes Gefühl. „Was wir mit ihm machen, ist die Ausnahme von der Ausnahme“, sagt er. „Hoffentlich rechtfertigt Lutz unser Vertrauen.“

Lutz Liwowski sagt ironisch: „Ich muss mal ausrechnen, wie viele im Finale kentern müssen, damit ich noch Fünfter werde.“

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