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Sport: Das kleine Duell

Jan Ullrich will dem Dänen Mickael Rasmussen heute im Zeitfahren entscheidende Minuten abnehmen

Die letzte spannende Frage der 92. Tour de France wird am vorletzten Tag geklärt. Schafft es Jan Ullrich noch aufs Podium? Mit einer Ausnahme hatte er bisher stets seinen Stammplatz auf dem Podest in Paris. Einmal als Sieger, fünfmal als Zweiter, davon dreimal an der Seite Lance Armstrongs. Nur im vergangenen Jahr wurde er Vierter. „Das war, als hätte man mir etwas geraubt“, sagt Ullrich. Im Moment liegt er wieder auf Platz vier. Wenn er noch einen Podiumsplatz erreichen will, muss er heute im Zeitfahren ein Duell gegen einen Fahrer gewinnen, den er vor der Tour nicht als direkten Konkurrenten auf der Rechnung hatte: Mickael Rasmussen.

Mit Lance Armstrong beschäftigt sich Jan Ullrich schon lange nicht mehr. 5:58 Minuten trennen die beiden Rivalen der letzten Jahre, schon im ersten Zeitfahren hatte Armstrong den deutschen Radstar überholt und gedemütigt. Dennoch hat Ullrich die Ergebnisliste jener ersten Etappe hervorgekramt und den Namen Rasmussen gesucht. Er fand ihn auf Platz 174, zwei Minuten und sechs Sekunden langsamer als Ullrich.

Wer auf 19 Kilometern so viel Zeit verliert, dürfte auf 55,5 Kilometern gegen den zweimaligen Weltmeister in dieser Disziplin 2:12 Minuten eigentlich kaum verteidigen können. 2:12 Minuten – das ist der Vorsprung, der dem Dänen geblieben ist, nachdem er am Donnerstag Ivan Basso, Armstrong und Ullrich nicht mehr folgen konnte und 37 Sekunden verlor. Die Schwächen Rasmussens in Noirmoutier und in Mende stimmen Jan Ullrich zuversichtlich: „Ich weiß, dass Rasmussen stark ist. Doch ich kann ihn packen.“

Die reine Zahlenspielerei mit Kilometern und Minuten ist trügerisch, weil das Streckenprofil eine große Rolle spielt. Der Kurs ist Berg mit einem giftigen Anstieg: Der 731 Meter hohe Col de la Gachet dürfte mit 5,7 Kilometer bergauf bei durchschnittlich 4,5 Prozent Steigung die entscheidende Passage sein. In St. Etienne hatte Jan Ullrich schon bei seinem Tour-Sieg 1997 triumphiert. Rasmussen hat das rotgepunktete Trikot des besten Bergfahrers dieser Tour bereits sicher. „Auf einem flachen Kurs hätte ich keine Chance gegen Ullrich. Er ist der Spezialist“, sagt der ehemalige Mountainbike-Weltmeister. „Aber das Profil gibt mir eine kleine Chance. Und ich bin noch nie ernsthaft ein Zeitfahren angegangen, es bestand keine Notwendigkeit.“

Von Ivan Basso, dem Zweiten in der Gesamtwertung, spricht niemand bei T-Mobile. Der Vorsprung des Italieners ist mit 3:12 Minuten zu groß. Lance Armstrong, vor einem Jahr noch fünfmaliger Etappensieger, ist, abgesehen vom Sieg seines Teams im Mannschaftszeitfahren, noch ohne Tageserfolg. Er will sich mit einem Sieg verabschieden, auch wenn er wie üblich kokettiert: „Dieses Zeitfahren wird hart. Für mich ist Ullrich der Favorit.“

Hartmut Scherzer[Le Puy-en-Velay]

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