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Sport: Das Leuchtturmprinzip

Zur Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 2008 fördert Berlin weniger Sportarten als bisher

Berlin - Die Vergangenheit hängt sorgfältig archiviert hinter Glas im Treppenhaus. Fotos von Maxi Gnauck, 1980 Olympiasiegerin am Stufenbarren, fünffache Welt- und Europameisterin. Die letzten Bilder stammen aus dem April vergangenen Jahres, als Maxi Gnauck hier, in der Frauenturnhalle des Sportforums in Hohenschönhausen, die nach ihr benannte Talentschule einweihte.

Die Ausstattung der Sporthalle ist immer noch hervorragend. Doch zuletzt blieben die Erfolge aus. Eine olympische Medaillengewinnerin im Turnen hat Berlin schon lange nicht mehr hervorgebracht. Nicht nur die Turner gingen in der Vergangenheit immer öfter leer aus, auch in den anderen Kernsportarten Schwimmen und Leichtathletik gab es in Athen keinen Olympiasieg. Der deutsche Sport droht insgesamt den Anschluss zu verpassen. 1992 waren es noch 33 Goldmedaillen, im vergangenen Jahr nur noch 13. Der Landessportbund (LSB) Berlin hat nun die Konsequenz aus dem schlechten Abschneiden gezogen. Das LSB-Präsidium hat entschieden, die Zahl der Sportarten, die für die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in Peking 2008 eine optimale Förderung erhalten, in Berlin von 21 auf 16 zu reduzieren. Heute will der LSB die Öffentlichkeit über die neue Spitzensportförderung informieren.

Die Folgen für die betroffenen Disziplinen sind hart. Frauenturnen gehört nicht mehr zu den geförderten Sportarten, ebenso wie Eiskunstlauf, Gewichtheben, Boxen und Schießen. Im vergangenen Jahr arbeiteten im Nachwuchszentrum der Turnerinnen noch vier Trainer. Nun ist Steffen Gödicke der einzige hauptamtliche Übungsleiter in der 50 mal 25 Meter großen Halle. 15 Turnerinnen trainieren hier, die meisten sind zwischen neun und vierzehn Jahre alt. „Turnen erfordert viel individuelles Training“, sagt Gödicke, „das kann ich allein gar nicht leisten.“

Jochen Zinner, Leiter des Olympiastützpunkts Berlin, hat Verständnis für die Enttäuschung der Betroffenen. „Man kann nicht mit dem Beifall der Sportarten rechnen, die wegfallen“, sagt der frühere Wasserballer. „Die machen ja gute Arbeit.“ Dennoch ist er von der Richtigkeit der Entscheidung überzeugt: „Wir wollen uns auf die Leuchttürme konzentrieren“, sagt er. Denn für die Vorbereitung auf die Sommerspiele 2008 investieren nicht nur die Chinesen, sondern alle asiatischen Staaten. „Wenn wir nicht aufpassen, dann werden wir in Peking gewaltige Probleme bekommen“, fürchtet Zinner. Deshalb müsse man die „besten Leute bei den besten Trainern unter besten Bedingungen zusammenführen“. Und das sei eben nicht mehr mit allen Sportarten zu machen. Manchen Athleten wird deshalb nichts anderes übrig bleiben, als in eine andere Stadt zu ziehen.

Doch in dem föderalen System der Sportförderung ist das nicht immer einfach. Auch Berlins Sportsenator Klaus Böger sagt: „So wichtig die Landessportbünde für uns sind, müssen wir darauf achten, dass zu viel Föderalismus nicht unser Potenzial schmälert. Die Länder und die Landessportbünde müssen in dieser Frage stärker zusammenarbeiten.“ Bisher gab es in Deutschland 157 Bundesstützpunkte, diese Zahl soll nun verringert werden. Doch gerade kleineren Verbänden fällt es oft schwer, ihre Spitzensportler ziehen zu lassen.

Steffen Gödicke hofft, überhaupt den Betrieb aufrecht erhalten zu können. „Wir müssen die Chance haben, wieder aufzusteigen.“ Stützpunktleiter Zinner beruhigt: „Es will ja niemand die Sportart abschaffen. Die Vereine, die Schulen sollen weiter turnen. Sie sind nur nicht mehr im allerersten Blickfeld.“ Für Ausnahmetalente, werde man „immer eine Lösung finden“.

Im Sportforum in Hohenschönhausen ist die Verunsicherung allerdings groß. Wulf Dahlhöfer, Sportkoordinator der nahen Werner-Seelenbinder-Schule, macht sich Sorgen um den Nachwuchs. Die Zahl der in die Sporteliteschule eingeschulten Kinder sei rückläufig, sagt er. „Wenn wir nicht aufpassen, dann könnte den Schwerpunktsportarten dasselbe passieren wie jetzt dem Turnen.“

Steffen Hudemann

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