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Inka Grings, 32, hat in 92 Länderspielen 62 Tore erzielt und ist die drittbeste Torschützin in der Geschichte des Nationalteams. Foto: dapd

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Sport: „Das liegt mir schwer im Magen“

Inka Grings war lange Stammspielerin, nun sitzt sie auf der Bank. Im Interview spricht sie über ihre neue Rolle, Birgit Prinz und den Druck aufs Team

Frau Grings, die deutsche Mannschaft hat bei dieser WM bislang noch nicht überzeugt. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Ich weiß im Moment selber nicht, ob es nicht vielleicht doch der enorme Druck ist. Das soll jetzt überhaupt keine Entschuldigung sein. Der Kopf spielt eine sehr, sehr große Rolle. Eine Patentlösung habe ich gerade auch nicht. Wir versuchen in den nächsten Tagen, den Kopf freizubekommen. Vielleicht ist das die Lösung.

Nach dem 1:0 gegen Nigeria wurde das Team scharf kritisiert. Wie ist diese Kritik bei den Spielerinnen angekommen?

Es ist völlig in Ordnung, wenn von außen Kritik an unserer Leistung geäußert wird. Die Spiele liefen nicht rund, darüber sind wir uns auch im Klaren. Ich sehe aber das Problem, dass alle erwartet haben, dass wir jedes Spiel 5:0 gewinnen und das Turnier zu null spielen. Wir werden unser Bestmögliches geben und versuchen, wieder besseren Fußball zu spielen.

Auch die Mannschaft wirkt sehr unzufrieden mit sich selbst. Wieso stellen Sie sich nicht hin und sagen: zwei Siege in zwei Spielen, Viertelfinale erreicht – ist doch alles gut.

Ich finde das auch kurios. Eigentlich müsste man sich extrem freuen. Und das tun wir auch, wir sind erleichtert, dass wir das Viertelfinale schon geschafft haben. Aber wir haben noch nicht gezeigt, was wir können. Und das ärgert uns. Es ist frustrierend, wenn man sich gut und fit fühlt, und es dann trotzdem nicht so klappt, wie man will. Wir müssen da hinkommen, dass wir einfach sagen: Ey, ich hab Bock hier zu spielen.

Woran hakt es im deutschen Spiel im Moment?

In der Abwehr stehen wir eigentlich gut. Aber dann fängt es an, dass der Spielfluss nicht richtig da ist. Wir brauchen vorne mehr Kreativität. Und den Mut, Entscheidungen zu treffen. Wir sind nicht so frei, dass wir sagen: Ich versuche das einfach mal. Es kann eigentlich nur der Kopf sein - wir können ja alle wirklich Fußball spielen, zusammen Fußball spielen.

Haben die anderen Nationen auch aufgeholt?

Natürlich. Das haben wir auch alle vor der WM immer betont. Wenn man aber sieht, wie die Vorbereitung war und wie wir in den vergangenen Jahren eigentlich alles gewonnen haben, denken die Journalisten natürlich: Das wird eine klare Sache. Es ist aber toll, dass der Frauenfußball bei dieser WM so eine positive Resonanz erhält.

Es gibt auch mal ein 4:0, die meisten Spiele gehen aber eher 2:1 aus.

Das ist perfekt. Ich finde es besser, auch für den Frauenfußball insgesamt. Wenn man jedes Spiel 6:0 gewinnt, gibt es auch negative Schlagzeilen.

Vor dem Turnier galten Sie im Sturm als gesetzt, jetzt sitzen Sie auf der Bank und sind gegen Kanada und Nigeria jeweils lediglich eingewechselt worden.

Es ist nicht einfach für mich gewesen. In den vergangenen Jahren habe ich immer zum Stamm gehört – und jetzt nicht mehr.

Waren Sie von Silvia Neids Entscheidung überrascht, Sie vor dem WM-Auftaktspiel in der Stammformation durch Celia Okoyino da Mbabi zu ersetzen?

Man trainiert schon ein, zwei Tage vorher in der Aufstellung, mit der gespielt werden soll. Da erkennt man natürlich einiges. Ich war zumindest froh, dass es mir die Bundestrainerin vor dem Eröffnungsspiel gesagt hat, sodass ich das ein bisschen verdauen konnte. Allerdings liegt mir das schon noch schwer im Magen, gar keine Frage.

Wie lief das Gespräch mit der Bundestrainerin ab?

Sie geht sehr fair mit den Leuten um, das muss man ihr wirklich zugute halten. Sie kam auf mein Zimmer. Und dann war eigentlich klar, worum es geht. Es war ein ganz ruhiges Gespräch. Ich habe das dann so hingenommen und war hinterher froh, ein bisschen alleine zu sein und das verarbeiten zu können. Ich denke in solchen Situationen dann über das Gespräch nach, über meine Leistungen in den vorangegangenen Wochen. Und ich kontaktiere Menschen, die mir nahe stehen, um mich dann da ein bisschen auszusprechen. Danach geht es einem auch wieder besser.

In der Partie gegen Kanada hat Celia Okoyino da Mbabi sehr gut gespielt und ein Tor gemacht, die neue Formation hatte sich bewährt. Nach dem schwachen Spiel gegen Nigeria könnte das jetzt anders sein.

Nach dem ersten Spiel gab es keinen Grund zu wechseln. Ich denke, jetzt könnten ein paar Karten neu gemischt werden.

Sie wurden gegen Nigeria für Birgit Prinz eingewechselt. Können Sie den Frust verstehen, den sie bei ihrer Auswechslung sehr deutlich gezeigt hat?

Ihre Auswechslung war, glaube ich, nicht der Grund, dass sie sich so gegeben hat. Der Frust war so groß, weil sie wusste, dass sie nicht gut gespielt hat. Dafür ist sie einfach zu realistisch, zu vernünftig, zu selbstkritisch. Birgit ist bei uns einfach die Spielerin. Diesen Stellenwert hat sie sich erarbeitet. Und wenn es mal nicht läuft, weiß sie auch, dass sie natürlich die erste Person ist, auf die man sich einschießt. In jenem Moment konnte sie wohl die Gefühle nicht mehr kontrollieren. Ich glaube, sie weiß aber auch, dass das nicht ausarten darf – gerade bei ihr als Führungsspielerin. Es tut mir sehr, sehr leid, dass sie im Moment in dieser Situation steckt. Wir als Mannschaft versuchen jetzt, ihr zu helfen und sie zu unterstützen.

Sie sind für Birgit Prinz nicht nur unterstützende Mitspielerin, sondern auch Konkurrentin um den Stammplatz im Sturm.

Das ist für mich auch nicht einfach. Bei der EM hat der Sturm mit Birgit und mir sehr gut funktioniert. Ich hätte mir auch nicht erträumen lassen, dass ich dann bei der WM nicht Stammspielerin bin. Ich vergleiche mich aber nicht mit Birgit. Sie ist eine fantastische Spielerin, hat einen ganz anderen Stellenwert.

Sie haben anscheinend gelernt, sich zu beherrschen. Nach einem Streit mit Silvia Neid schien ihre Nationalmannschaftskarriere 2005 schon beendet.

Ja. Ich bin älter und reifer geworden (grinst). Aber ich will spielen, da mache ich gar keinen Hehl draus. Ich hoffe auf meine Chance.

Das Gespräch führte Lars Spannagel.

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