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Kleiner Anführer. Modric schoss Kroatien zum Auftaktsieg.

© dpa

Kroate Luka Modric bei der EM: Das Pony gibt den Takt vor

Er gilt als einer der besten kroatischen Spieler aller Zeiten. Luka Modric dirigiert Real Madrids Mittelfeld, bestimmt das kroatische Spiel bei der EM. Nur sein Spitzname will zu der Rolle nicht passen.

Für Ante Cacic, den Trainer der kroatischen Fußball-Nationalmannschaft, ist die Sachlage eindeutig, wenn es um Luka Modric geht. „Einer der besten Spieler in der Geschichte Kroatiens“, sagte Cacic nach dem ersten Spiel gegen die Türkei. Das hatte Modric entschieden, mit einem Traumtor aus 25 Meter.

Einer der Besten aller Zeiten also. Einer in der Tradition von Robert Prosinecki und Zvonimir Boban, den großen kroatischen Mittelfeldstrategen der Vergangenheit. Wer Modric am Sonntag gegen die Türkei zuschaute, der wird Cacics Aussage keineswegs für übertrieben halten. Mal wirbelte Modric links, mal rechts, mal im Zentrum, ganz wie es ihm gefiel. Anders als bei Real Madrid, wo der 30-Jährige gemeinsam mit Toni Kroos für den Spielaufbau und mehr noch als der Deutsche für defensive Stabilität sorgen muss, genießt er in der Nationalmannschaft alle Freiheiten. Modric ist einer von wenigen, die in einer Zeit der taktischen Zwänge machen dürfen, was sie wollen. Ähnlich wie Lionel Messi beim FC Barcelona. Purer Luxus, Modric weiß das zu schätzen und trägt aus Dankbarkeit Kroatiens Mannschaft oft allein auf seinen schmalen Schultern. Er ist der unumstrittene Chef, der Kapitän und einer der Spieler, die diese Europameisterschaft mit ihrer Mannschaft nachhaltig prägen könnten. Ein weiterer Sieg gegen Tschechien, und Kroatien hätte sich vorzeitig fürs Achtelfinale qualifiziert.

Fußball, tagein, tagsaus

Modric zählt zu jenen seltenen Fußballern, die seit ihrer Kindheit als größtes Versprechen ihrer Generation gelten und die in sie gesetzten Erwartungen noch übertreffen.

Seine Geschichte beginnt in einer schlimmen Zeit. Schlimm für sein Land und schlimm für seine Familie. Anfang der Neunziger Jahre entwurzelt der Balkankrieg viele Menschen im zerfallenden Jugoslawien. Auch die Modrics müssen fliehen. Sie kommen unter in einem Hotel an der Adriaküste, das nun als Flüchtlingsunterkunft dient. Die Kinder spielen unentwegt Fußball, tagein, tagaus, und es hält sich bis heute die Geschichte, dass Luka damals mit dem Ball mehr Fensterscheiben kaputt machte als die Bomben.

Als Jugendlicher kommt er unter bei Dinamo Zagreb, wird ausgeliehen in die bosnische Liga und bekommt da als Kroate mächtig auf die Knochen. Später sagt Modric über diese Zeit: „Wer sich in Bosnien durchsetzt, schafft es überall auf der Welt.“

Auch Modric landet bei Real Madrid

Da muss was dran sein, nach dem Stahlbad Bosnien hatte er keinerlei Probleme mit den Raubeinen der englischen Premier League. Bei Tottenham Hotspur wurde er schnell zur spielbestimmenden Figur, Alex Ferguson adelte ihn als den besten Mittelfeldspieler der Liga. Und weil die Besten zwangsläufig bei Real Madrid landen, tat Modric das auch.

Unter José Mourinho fiel ihm der Start in Spanien schwer, der Trainer blickte skeptisch auf diesen Hänfling, der die Geschicke der teuersten Mannschaft der Welt lenken sollte. Aber Modric hatte schon ganz andere Steine aus seinen Lebensweg geräumt. Bosnien und soweiter. Auch bei Real wuchs er mit der Zeit in seine natürliche Rolle hinein: die des Anführers. Unter Carlo Ancelotti und nun Zinedine Zidane gibt er den Chef in Reals Mittelfeld.

Ein unerhört unaufregendes Leben

Dabei haben ihm seine Mitspieler einen Spitznamen gegeben, der so gar nicht zu einer Führungskraft passen will: Sie nennen Modric „el pony“, das Pony. Wegen seiner gedrungenen Statur von nur 1,72 Meter und seinen langen Haaren, die bei jedem Sprint wehen wie eine wilde Mähne. Um die 35 Millionen Euro hat Real Madrid 2012 für Modric nach London überwiesen. Gemessen an den knapp 200 Millionen Euro, die allein Cristiano Ronaldo und Gareth Bale gekostet haben, wirkt Modric tatsächlich wie ein Pony unter Araberhengsten. Nur galoppiert Reals Herde genau wie die der Kroaten nach dem Takt des Ponys.

Privat lebt Modric ein unerhört unaufgeregtes Leben, gemessen an seinem Einkommen von 5,6 Millionen Euro pro Jahr und einer festgeschriebenen Ablösesumme von 500 Millionen Euro. Am liebsten verbringt er Zeit zu Hause, bei seiner Frau und den zwei Kindern. Ein leiser Familienmensch ist er. Sein Vater hatte einst im Krieg unter größten Anstrengungen umgerechnet 500 D-Mark aufgetrieben, um dem Sohn die Teilnahme an einem Fußballcamp zu ermöglichen, bei dem neue Talente gesichtet werden sollten. Was damals noch niemand wusste: Es war das wohl bestangelegte Geld in der Geschichte des kroatischen Fußballs.

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