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Sport: Das Tief im Winter

Das Verhalten in Gefahrensituationen ist aufschlussreich. Uli Hoeneß macht da keine Ausnahme.

Das Verhalten in Gefahrensituationen ist aufschlussreich. Uli Hoeneß macht da keine Ausnahme. Für den Manager des FC Bayern heißt die Bedrohung Misserfolg, und damit hat man nur wenig Erfahrung an der Säbener Straße. Hoeneß, so etwas wie die Gewinngarantie des FC Bayern, hat sich für kindlichen Trotz als Gegenmaßnahme entschieden: "Der FC Bayern wird immer um die Meisterschaft spielen, egal wie viele Punkte Vorsprung einer hat."

Zum Thema Bundesliga aktuell: Ergebnisse und Tabellen Bundesliga-Tippspiel: Das interaktive Fußball-Toto von meinberlin.de Fünf Punkte sind es inzwischen, die den FC Bayern von Spitzenreiter Leverkusen trennen. Die Münchner haben dabei Glück, dass Bayer gestern in Wolfsburg verlor. Der Meister selbst hatte auch alles versucht, den Abstand am letzten Spieltag vor der Winterpause zu verkleinern. "Wir haben uns immer wieder eingeredet, dass wir nicht müde sind", sagte Hitzfeld nach dem 0:0 gegen Borussia Mönchengladbach, dem sechsten sieglosen Spiel in Folge, "doch der Substanzverlust war zu groß, wir waren schon zu lange im roten Bereich." Die Helden sind müde. Sie nehmen einfach jetzt die Auszeit, die ihnen Experten wegen der gewinnträchtigen Vorsaison schon zu Saisonbeginn zugebilligt hatten. Als Oliver Kahn, der gestern seinen Vertrag bis 2006 verlängerte, nach fast selbstverständlichen Siegen im Herbst - neun Stück gab es davon in Serie - den Zeigefinger hob und mahnte, "es wird auch bald wieder ein Tief geben", hatten die meisten Journalisten ihre Aufnahmegeräte ausgeschaltet. Bayern und Krise schien im direkten Widerspruch zu stehen in jenen Tagen.

Doch nach den Spielen der Nationalelf gegen die Ukraine war sie plötzlich da, die Krise. Als erster, weil naheliegender Grund wurde die Rückkehr Stefan Effenbergs angeführt, der nach mäßigem Auftakt von Fans und Kritikern sehr ungnädig behandelt wurde. "Diese Leute sollten sich unter den Weihnachtsbaum setzen und sich um ihre Probleme kümmern", empfahl Effenberg. Dasselbe richtete er Lothar Matthäus aus, der seinen fachmännischen Rat gefragt sah und Effenberg einen vorzeitigen Abschied nahe legte. Es muss ja nicht jeder dieselben Fehler machen, mag sich Effenberg gedacht haben. Tatsache ist zwar, dass das Mittelfeldduo Fink-Hargreaves seine effektive Spielweise einstellte, als der neue und alte Leitwolf zurückkehrte, aber nicht weil er zurückkehrte. Auch bei ihnen war irgendwann der "tote Punkt erreicht", wie Hitzfeld sagte. Die Bayern am vorläufigen Tiefpunkt - das gilt nicht bloß für sportliche Belange.

Bei der Pflege der Kaderstärke läuft es ebenfalls nicht rund. Sebastian Kehl, der sich laut Bayern-Anwalt Christoph Schickhardt "mit allen denkbaren Handlungen der Willenserklärung" an die Münchner gebunden hat, demonstrierte Hoeneß, dass es für ihn durchaus Alternativen gibt. Bleibt abzuwarten, ob Kehl das Friedensangebot von Vize-Präsident Karl-Heinz Rummenigge annimmt: "Wenn er ein Gespräch mit uns will, werden wir mit ihm reden."

Reden, das hat sich auch Ottmar Hitzfeld vorgenommen als Beschäftigung für die Weihnachtstage. "Wir müssen unsere letzten Spiele genau analysieren", sagt er, "erst mal den Akku aufladen." Der Trainer ist immer noch optimistisch. "Dank der Dreipunkteregel bin ich zuversichtlich. Andere Teams werden auch noch in ihr Tief kommen." Auch Pablo Thiam mag sich nicht grämen, schließlich war er zu den Bayern gekommen, um auch einmal Meister zu werden: "Die großen Gegner müssen noch zu uns kommen." Außerdem: "So schlecht haben wir auch zuletzt nicht gespielt."

Ohnehin kann sich der FC Bayern München ein hübsches Schleifchen um das Jahr 2001 binden. Deutscher Meister, Champions-League-Sieger, Weltpokalsieger, sind die Begriffe, die bald in den neuen Wimpel eingestickt werden. Eine Reminiszenz an die sechs freudlosen Wochen im Winter hat darauf natürlich nichts zu suchen. Vielleicht wartet man aber auch noch bis Anfang Mai und ergänzt "Deutscher Meister 2002" gleich mit. Die Bayern glauben noch daran. Schließlich "steht die Mannschaft mit dem Rücken zur Wand", sagt Hoeneß, "da hat sie meist ihre besten Spiele abgeliefert." Das Funkeln in seinen Augen verrät Angriffslust.

Daniel Pontzen

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