zum Hauptinhalt

Sport: Das tiefe Loch im Wasser

Thomas Lurz verpasst knapp WM-Gold

Montreal - Wutausbrüche sind Thomas Lurz fremd. Der 25-jährige Würzburger studiert Sozialarbeit. Er ist gut erzogen und weiß, wie er sich zu benehmen hat. Und er bevorzugt sachliche Analysen. „In der letzten Runde habe ich an der Boje den Anschluss verpasst“, sagte er. „Der Amerikaner hat innen schnell angezogen, die Lücke habe ich nicht mehr schließen können.“ Das Ergebnis dieser kleinen Unachtsamkeit: Der US-Amerikaner Chip Peterson (1:46:38,1 Stunden) gewann bei den Schwimm-Weltmeisterschaften in Montreal über zehn Kilometer vor Lurz (1:46:45,2) und dem Bulgaren Petar Stoychev (1:46:50,4).

Peter Lurz, Vater und Betreuer des Freistilschwimmers, der zum WM-Auftakt den Titel über fünf Kilometer gewonnen hatte, verzweifelte in dieser Rennphase beinahe. Auf dem Fahrrad entlang der Ruderstrecke unterwegs sah er, was da geschah. „Das Loch ist zu groß“, habe er gedacht, „das schafft er nicht, schließlich sind wir bei einer WM und nicht bei Bezirksmeisterschaften.“ Väterliche Intuition. Aber der durchgeschwitzte ältere Herr bewahrte die Fassung: „Eigentlich war seine Leistung absolut zufrieden stellend.“ Schwimmtechnisch betrachtet hatte die Silbermedaille von Thomas Lurz einen einfachen Grund. Weil er nach links atmet, muss er bei links herum führenden Rennen immer rechts außen schwimmen, um das Feld der Konkurrenten im Blick zu behalten. „So schwimmt er mit Sicherheit 20 Meter mehr“, sagt der Vater. Am Ende hatte Lurz – nach zehn Kilometern Strecke – knapp zehn Meter Rückstand.

Mit zwei Titeln hätte Thomas Lurz der Star dieser ersten WM-Woche werden können. Mit Gold und Silber war der bescheidene Würzburger, der zu Hause von seinem Bruder Stefan trainiert wird, zu „99,9 Prozent“ zufrieden – und musste schließlich fürs Fernsehen noch einmal die Umarmung mit der Bronze-Schwimmerin Britta Kamrau nachstellen. Ohne die blonde Schönheit geht anscheinend nichts in dieser Sportart. Lurz war’s egal, er machte die Show artig mit. Wie das eben so seine Art ist.

Jürgen Roos

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false