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Her mit dem Ei! Beim Australian Football stehen jeweils 18 Spieler beider Mannschaften dauerhaft auf dem Feld und schlagen oder treten den Ball.

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Australian Football in Berlin: Das unantastbare Kulturgut aus Australien

Football geht auch ganz anders als beim Super Bowl, wie die Berlin Crocodiles zeigen. Sie spielen Australian Football – einen enorm physischen Sport.

Fußball kennt jeder. Doch es gibt viele Sportarten, die in Deutschland nicht so sehr im Fokus stehen – und trotzdem gespielt und gekämpft werden. An dieser Stelle stellen wir einige der etwas anderen Aktivitäten vor. Diesmal: Australian Football.

Zur Sicherheit haben die Spieler der Berlin Crocodiles ein Schild in den Rasen gesteckt. Es ist ein kühler Sonntagmittag und im Park am Gleisdreieck wird Australian Football gespielt. Die Crocodiles haben zu einem Schnuppertraining für Interessierte geladen. Damit irritierte Passanten verstehen können, warum die grün-gelb gekleideten Männer und Frauen ovalförmige Lederbälle über die riesige Grünfläche kicken und boxen, werden auf dem Schild die Basisinformationen zu der Sportart erklärt.

Australian Football ist in Australien wie Fußball in Deutschland

In Deutschland ist der Sport trotz einer aktiven Gemeinschaft an Spielern weitestgehend unbekannt. In der Australian Football League Germany (AFLG) spielen zwar sieben Teams aus den verschiedensten Ecken des Landes jährlich einen Meister aus, strukturell agiert die Liga aber noch fernab von professionellen Strukturen. Richtige Spielfelder gibt es nicht, gespielt wird oftmals auf öffentlich begehbaren Rasenflächen. „Für das Equipment wie etwa die Torstangen sorgen die Teams selbst“, erzählt Marie Winkler.

In Australien ist das anders, ganz anders. Australian Football, im dortigen Volksmund auch „Aussie Rules“ oder einfach „Footy“ genannt, und die australische Liga sind in Down Under so ungefähr das, was die Fußball-Bundesliga in Deutschland ist. Mehr als 36.000 Zuschauer besuchten 2019 durchschnittlich die Spiele der AFL, das Finale, das „Grand Final“, wird jährlich vor rund 110.000 Fans in Melbourne ausgespielt. Sport und Liga sind dort ein unantastbares Kulturgut.

Oft wird Australian Football verknappt als eine Mischung aus Rugby, American Football und Fußball beschrieben. „Der Sport ist aber deutlich mehr als das“, sagt Winkler. Jeweils 18 Spieler beider Mannschaften stehen dauerhaft auf dem Feld und passen den Ball, indem sie ihn mit der Faust schlagen oder wie mit einem Volleyschuss treten, simples Werfen ist verboten.

Große Nummer. Zum Grand Final der Australian Football League kommen jährlich rund 110.000 Zuschauer.

© dpa

Ziel ist es, wie beim Fußball, Tore zu erzielen. Es gibt ein großes Tor, das von zwei kleineren Toren jeweils rechts und links flankiert wird. Treffer durch das mittlere Tor bringen sechs Punkte, Pfostenschüsse und Treffer in die Tore an den Seiten nur einen. Und: Australian Football ist ein enorm physischer Sport. Getacklet werden darf dabei nur zwischen den Schultern und den Hüften, die Spieler tragen keine Schutzkleidung. Das kann abschreckend sein: „Viele Mädels haben da erstmal Skrupel. Man muss sie langsam an das Spiel heranführen und das Tackling auch üben“, sagt Winkler.

Die Berlin Crocodiles starteten 2001 mit ganzen sechs Spielern, heute verfügt Berlins bester Australian-Football-Verein über eine Männer- und Frauen-Bundesligamannschaft, beide gespickt mit diversen Nationalspielern. 2017 wurden die Männer erstmals Deutscher Meister, die letzten beiden Finals verloren sie gegen die Hamburg Dockers, ihren Dauerrivalen.

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In beiden Teams spielen dabei auch viele Australier wie Jake Williams. „Letztes Jahr bin ich nach Deutschland gezogen und habe diesen Sport vor allem genutzt, um Leute kennenzulernen“, erzählt er. Williams spielte wie viele Kinder in Australien bereits in jungem Alter Australian Football, eine nachhaltige Leidenschaft dafür entwickelte er aber erst in Deutschland.

Das habe vor allem mit dem Gemeinschaftsgefühl bei den Crocodiles zu tun: „Wir sind hier eine große Familie“, sagt Williams. Generell würden viele englischsprachige Neu-Berliner den Sport und den Verein nutzen, um in der Stadt anzukommen. Winkler lernte den Sport dagegen beim Work-and-Travel- Aufenthalt in Australien kennen und lernte ihn schnell zu lieben.

Geld verdient keiner der Spieler der Berlin Crocodiles

Für ihre Leidenschaft nehmen die Crocodiles weite Wege und verplante Wochenenden in Kauf. Auswärtsreisen zu Spielen in München oder bei den Rheinland Lions nehmen schnell ein ganzes Wochenende ein, Geld verdient keiner der Spieler. Auch bei den Auswärtsfahrten zählt neben dem Sportlichen der soziale Aspekt. „Mittlerweile haben sich zwischen den einzelnen Teams Freundschaften gebildet. Die Gegner zeigen uns gerne etwas von der Stadt, oft unternehmen wir nach den Spielen noch etwas“, sagt Williams.

Für Winkler steht Ende Juli ihre bis dato weiteste Auswärtsreise an. Die deutsche Nationalspielerin reist mit den German Eagles zum International Cup nach Australien. „Das ist wie die Weltmeisterschaft – aber ohne Australien. Die wären viel zu gut", sagt sie. Aber auch in Europa tue sich etwas. „In Frankreich und Schottland gibt es echt gute Ligen. Der Sport wächst“, sagt Williams. Vielleicht müssen die Crocodiles in ein paar Jahren ja keine Erklärschilder mehr in den Rasen stecken. Der Weg bis dahin ist aber noch weit.

Louis Richter

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