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Sport: Das WM-Jahr beginnt mit einer Blamage

Beim 1:4 in Italien zeigt die deutsche Elf, dass sie mit den Großen des Fußballs nicht mithalten kann

Vielleicht war es das letzte Duell auf Augenhöhe. In Italien und Deutschland trafen am Mittwochabend in Florenz zwei dreimalige Weltmeister aufeinander. Vielleicht wird eine der beiden Mannschaften nach der WM im Juli ein vierfacher Titelträger sein. Die Wahrscheinlichkeit ist seit gestern nicht mehr besonders hoch, dass es Deutschland ist. Der WM-Gastgeber unterlag 100 Tage vor Beginn des Turniers in der „Mutter aller Spiele“, wie Italiens Trainer Marcello Lippi das Duell bezeichnete, nach vor allem in der ersten Halbzeit katastrophaler Leistung 1:4 (0:3).

Schon nach etwas mehr als sechs Minuten deutete sich an, dass die düstere Zeit wohl auch im Stadio Artemio Franchi vor 28 317 Zuschauern nicht ihr Ende finden würde. Vor fünfeinhalb Jahren hat die deutsche Nationalmannschaft das letzte Spiel gegen eine große Fußballnation gewonnen. Die Begegnung hatte kaum begonnen, als die Heimmannschaft schon führte. Nach einer Freistoßflanke von Alessandro del Piero kam Fabio Cannavaro im deutschen Strafraum völlig ungedeckt zum Kopfball. Jens Lehmann, der an Stelle des verletzten Oliver Kahn im Tor stand, konnte zwar abwehren, doch Alberto Gilardino schob den Abpraller zur Führung ein. Nur zwei Minuten später patzte die junge deutsche Verteidigung erneut: Die Viererkette, die Bundestrainer Jürgen Klinsmann aus dem lange Zeit verletzten Philipp Lahm, den formschwachen Per Mertesacker und Arne Friedrich und einem Robert Huth ohne Spielpraxis im Verein zusammengesetzt hatte, verspekulierte sich bei einem Steilpass. Alberto Gilardino lief allein auf Lehmann zu, überließ es aber dem Florentiner Lokalhelden Luca Toni, das 2:0 zu erzielen. Als Toni in der siebten Minute den Ball über die Linie schob, war klar, dass Deutschland auch im 16. Spiel gegen einen Großen des Weltfußballs ohne Sieg bleiben würde.

Dabei schickte Jürgen Klinsmann mit Ausnahme von Philipp Lahm die gleiche Mannschaft aufs Feld, die im bis dahin letzten Spiel im November ein 0:0 in Frankreich erreicht hatte und bis gestern als Stammelf im Hinblick auf die WM galt. Das hieß auch, dass der seit langem außer Form spielende Lukas Podolski neben Miroslav Klose stürmte. Auf den frühen Rückstand reagierte die junge Mannschaft geschockt. Klinsmanns Team unterliefen schon im Spielaufbau beinahe unglaubliche Fehler, die die Italiener blitzschnell dazu nutzten, um mit schnellen Pässen in die Schwachstellen der deutschen Deckung zu stoßen.

Nach einer halben Stunde vergab Gilardino nach einem langen Pass noch das 3:0, etwa neun Minuten später aber machte es Daniele de Rossi besser. Der Außenverteidiger traf per Kopf, nachdem der kleine Lahm ein Kopfballduell gegen Mauro Camoranesi verloren hatte. Die DFB-Elf hatte in der ersten Halbzeit überhaupt nur eine Torchance. In der 23. Minute kam Bernd Schneider nach glücklich-gelungener Kombination über Michael Ballack und dem ansonsten absolut unauffälligen Podolski zum Schuss, nicht an Torhüter Gianluigi Buffon vorbei.

In der zweiten Halbzeit wurde es auch mit neuen Spielern nicht besser. Gerald Asamoah füllte Podolskis Rolle gleichwertig aus, und auch der Dortmunder Christoph Metzelder brachte an Stelle von Mertesacker kaum mehr Stabilität in die Abwehr. Später kamen mit ähnlich bescheidener Wirkung noch Tim Borowski und Bastian Schweinsteiger ins Spiel. Die Italiener behielten während des gesamten Spielverlaufs die Kontrolle und gaben ihren Gegner mitunter beinahe der Lächerlichkeit preis. Ihnen war kaum anzumerken, dass in Francesco Totti, Christian Vieri und Gennaro Gattuso drei wichtige Spieler verletzt fehlten. Obwohl sie bereits mit dem Kräfteschonen begannen, konnten sie sich auch in der zweiten Hälfte einem Torerfolg nicht entziehen. Nach knapp einer Stunde fand sich Gilardino völlig frei im deutschen Strafraum wieder, flankte ungestört auf Camoranesi, der mit einer weiteren Kopfballablage das 4:0 durch del Piero ermöglichte.

Immerhin ließen sie auch noch ein Tor zu. Zehn Minuten vor Schluss gelang Huth nach einer Ecke von Sebastian Deisler das 1:4. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen erinnerte der Aufritt der deutschen Mannschaft in vielerlei Hinsicht an jenes desaströse 1:5 gegen England vor fünf Jahren in der WM-Qualifikation für Japan und Südkorea. Damals kam Deutschland immerhin bis ins Finale – das ist aber auch schon die einzige positive Erkenntnis, die man aus dieser Analogie der Spiele ziehen kann. Bis zur WM bleiben Klinsmann noch drei Testspiele: Gegen die USA, Japan und Kolumbien. Es wird ihn viel Arbeit kosten, sein Team reif für die WM zu machen.

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