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Sport: Das Wunder von Köln

Jan Ullrich gewinnt ein Rennen – zum ersten Mal in dieser Saison

Köln/Valkenburg. Alles drehte sich um Jan Ullrich – und der deutsche Radrennstar bedankte sich mit einer Super-Solo-Show. Der 29-jährige Rückkehrer gewann nach einer 53 Kilometer langen Alleinfahrt das Traditionsrennen „Rund um Köln“. Und die Kölner Zuschauer – es waren mehr als eine Million – jubelten am Ostermontag, als wäre Rosenmontag. Ullrich ballte die Faust, als er aufrecht in Siegerpose über den Zielstrich rollte. Er hatte mit alter Klasse und neuer Kraft sein altes Team Telekom geschlagen. Telekom- Sprinter Danilo Hondo im Trikot des Deutschen Meisters gewann 1:52 Minuten später immerhin den Spurt des Verfolgerfeldes vor dem Österreicher Peter Wrolich vom Team Gerolsteiner. Fünfter wurde Ullrichs Teamkollege Steffen Radochla aus Leipzig. Gleich dahinter kam schon der Berliner Jörn Reuß ins Ziel – eine Platzierung, die er wohl selbst kaum erwartet hatte. Allerdings war das Feld bei diesem Rennen nicht sonderlich stark besetzt.

„Es gibt doch noch Wunder“, sagte der Sieger nach 202 Kilometern und 4:35:40 Stunden Fahrt. „Ich bin unfassbar glücklich.“ Die Konstellation sei günstig für ihn gewesen, erzählte Ullrich. „Keiner hatte damit gerechnet, dass ich durchhalte. Ich konnte vorne mein Tempo fahren, und hinten waren sie sich nicht einig. Das war mein Glück, das nach all dem Pech nun zurückgekehrt ist.“

Am neunten Renntag seines Comebacks feierte Jan Ullrich seinen ersten Sieg seit dem Gewinn der Weltmeisterschaft im Oktober 2001. Erstmals seit 573 Tagen, seit der Rheinland-Pfalz-Rundfahrt im September 2001, hatte der ehemalige Tour-Sieger wieder bei einem deutschen Radrennen in die Pedale getreten und genoss im sonnigen Frühlingswetter die Huldigungen durch rund eine Million Schaulustige.

Wegen seiner Ambitionen beim Rennen in Köln hatte Ullrich die Aragon-Rundfahrt nicht beendet. Bei seinem Comeback nach 14 Monaten Pause mit Führerscheinentzug, Pillen-Affäre, Dopingsperre und zwei Knieoperationen wollte sich Ullrich seinen Fans im neuen himmelblauen Coast-Trikot zeigen – und demonstrierte dann eine erstaunliche Form. „Ich bin wieder heiß auf Rennen. Die Form reicht, dass ich gut mitfahren kann. Aber siegen kann ich auf keinen Fall“, hatte der namhafteste Fahrer vor dem Start noch zurückhaltend gesagt.

Die großen Verlierer waren seine einstigen Kollegen vom Team Telekom, dessen erste Garnitur am Vortag noch einen spektakulären Triumph gefeiert hatte. Da war Erik Zabel aus dem Bus getreten und hatte freudestrahlend verkündet: „Jungs, Champagner für alle.“ Alexander Winokurow hatte gerade das 38. Weltpokalrennen Amstel Gold Race gewonnen. Der erschöpfte Sieger stand derweil 200 Meter entfernt auf dem Podium. Mit schweren Beinen, letzter Kraft, aber unbändigem Willen hatte sich der blonde Kasache nach einem fünf Kilometer langen Solo ins Ziel gerettet. Nach 250 Kilometern und sechs Stunden gewann der 29-Jährige. Matthias Kessler aus Nürnberg wurde Fünfter, Lance Armstrong, der mit großen Siegesambitionen angetreten war, begnügte sich in der kleinen Spitzengruppe mit dem achten Platz. Fünfzehnter wurde Erik Zabel.

Dennoch freute sich Zabel wie bei seinem eigenen Sieg in Holland vor drei Jahren. „Es ist für mich ein fantastisches Gefühl zu erleben, wie die Mannschaft jetzt funktioniert. Wunderbar." Zabel meinte das Team Telekom beim Amstel Gold Race – nicht das Team Coast in Köln.

Hartmut Scherzer

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